Zuerst ging es per Minibus in die Hauptstadt Ramallah. Auf dem Weg dorthin passierten wir die Mauer, die das Westjordanland vom restlichen Israel trennt. Ich fand das total gruselig, sie sah der Berliner Mauer ziemlich ähnlich, war aber noch ein ganzes Stück höher. Die Grenzüberquerung selbst war unproblematisch, nach einer kurzen Sichtkontrolle winkten uns die Soldaten durch.
Kurz nach der Grenze säumten ein ganzes Stück lang israelische Soldaten mit Maschinengewehren die Straße. Ich konnte mir richtig vorstellen, wie schnell hier die Stimmung umschlagen kann, sobald der Stress losgeht. Im Moment scheint aber alles ruhig zu sein, denn sowohl die Sicherheitskontrollen in Jerusalem, als auch die Soldaten an der Grenze waren alle recht entspannt. Das kann sich aber schnell wieder ändern, sobald sich irgendwo wieder jemand in die Luft gesprengt hat.
In Ramallah wollten wir keine Zeit verbringen, da es die westlichste Palästinenserstadt sein soll. Wir wollten aber etwas ursprünglicheres Leben sehen, also stiegen wir sofort in den nächsten Bus nach Nablus. Nablus hatte in den letzten Auseinandersetzungen mit Israel in heftigen Widerstand geleistet, deshalb haben die Israelis ringsherum Checkpoints errichtet, die jederzeit geschlossen werden können. Aber wie gesagt, im Moment ist es ruhig und wir kamen problemlos durch. Trotzdem war mir unterwegs etwas mulmig zumute, ich konnte mich doch nicht ganz frei machen von den Bildern von Anschlägen und Entführungen, die jahrelang durch die Nachrichten gingen.
In Nablus angekommen nahmen wir uns ein Doppelzimmer im Crystal Motel. Es ist nichts dolles und mit 180 Schekel (36 Euro) pro Nacht nicht gerade billig, aber wir hatten keinen Bock, ewig mit den Rucksäcken herumzuirren. Wir warfen unsere Sachen ins Zimmer und erkundeten die Stadt. Hier ist auf jeden Fall alles komplett anders als im jüdischen Israel. Die Straßen sind kilometerweit von Märkten umsäumt, eigentlich ist die halbe Stadt ein riesiger Markt. Am Anfang war es schon ein kleiner Kulturschock, von allen Seiten prasselten Gerüche, Geräusche und Stimmen auf uns nieder.
Alle paar Meter rief uns jemand fröhlich zu: „What’s your name? Welcome to Palestine!“ Und das war nicht so dahergesagt, sondern man sah den Leuten an, dass sie sich richtig freuten, dass wir ihr Land besuchten. Wir sahen so gut wie keine Touristen unterwegs und waren einfach mittendrin.
In einer kleinen Straßenlokalität probierten wir Knafeh, das ist eine lokale Spezialität und besteht aus warmem Käse und Teigfäden in zuckersüßen Sirup getaucht. Ist superlecker, aber definitiv eine ordentliche Kalorienbombe.
Ich wollte auch gerne noch ein Flüchtlingslager sehen, um einen besseren Eindruck vom Leben der Palästinenser zu bekommen. Also ließen wir uns per Taxi zum nahegelegenen Lager Balata bringen. Ganz wohl war mir nicht dabei, aber ich wollte auch nicht der Friede-Freude-Eierkuchen-Touri sein, der sich nur die Sonnenseiten anschaut. Als wir ausstiegen kamen uns nach ein paar Metern ein paar ca. 12jährige Jungs entgegen, die uns wieder fröhlich begrüßten und nach unseren Namen fragten. Sie wollten wissen, ob wir zum nahegelegenen Joseph-Grab wollten und weil wir unser Ziel selbst nicht so genau kannten, sagten wir ja. Einer von ihnen konnte recht gut Englisch und meinte, er wolle uns hinführen.
Wir wussten nicht so genau, ob wir gleich entführt würden, aber gingen mit den Jungs mit. Unterwegs machte der Englisch sprechende den ein oder anderen Witz, der uns noch mehr erschreckte. „Seid ihr Moslems? Nein? Oh… nicht gut!“ „Vorsicht, palästinensische Polizei! Ach du Scheiße!“ Aber dann lachte er immer verschmitzt und plapperte weiter.
Die palästinensische Polizei ließ uns schließlich ins Grab von Joseph hinein. Drin stand ein Steinsarg, in dem garantiert nicht die Überreste von Joseph lagen, aber es war irgendwie krass, mit Maschinengewehren begleitet dort hinein eskortiert zu werden.
Dann verabschiedeten wir uns von den Jungs und liefen noch ein wenig im Flüchtlingslager umher. Ich hatte mir das eher als Zeltstadt vorgestellt, aber weil diese Lager schon so lange existieren, sind es inzwischen teilweise richtige Stadtteile mit normalen Häusern. So richtig wohl war uns dort aber immer noch nicht, also ließen wir und von einem Taxi nach oben auf den Berg über Nablus fahren.
Eigentlich wollten wir nur die Aussicht genießen, fanden uns dann aber am Eingang einer jüdischen Siedlung wieder. Zwei Soldaten mit Maschinengewehren bewachten die Straße und wir mussten unsere Pässe zeigen, um eingelassen zu werden. Wir gingen nur ein paar Meter hinein, weil wir Schiss hatten, dass unser Taxi nicht warten würde und wir auf dem Berg festsitzen. Aber es ist schon heftig, dass dort Menschen freiwillig von Feinden umgeben leben. Am Streit um diese Siedlungen eskaliert immer wieder regelmäßig der Konflikt, weil ein paar besessene die Grenzen des Palästinensergebiets nicht akzeptieren wollen.
Zurück in Nablus streunten wir noch etwas durch die quirligen Marktstraßen, bevor es dunkel wurde. Nach wie vor wurden wir freundlich aus allen Ecken gegrüßt, inzwischen hatten wir uns schon ein bisschen eingelebt und fühlten uns fast schon ein wenig heimisch.