Na wenn das mal kein Wink des Himmels ist! Heute früh sind wir mit dem Bus zum Valle Gran Rey aufgebrochen, unterwegs haben wir zwei Jungs aus Deutschland kennen gelernt. Die fragten, ob wir auch zur Party wollten. Welche Party? Na das Goa-Festival auf Gomera, das über Silvester steigt!
Konnte das wirklich wahr sein? Seit Tagen überlegten wir, was wir Silvester machen könnten, ich hab uns schon fast mit englischen Hooligans in ’ner Kneipe in Los Cristianos feiern sehn, und jetzt sowas! So ganz traue ich dem Braten zwar noch nicht, aber es scheinen ’ne ganze Menge Leute extra deswegen anzureisen. Die beiden Jungs heißen Jens und Boris und erzählten uns, dass der Veranstalter wohl schon 1500 Tickets verkauft hätte. Das sind ja mal perfekte Aussichten! Außerdem lernten wir einen verpeilten Indianer namens Jimmy kennen. Er war schon über 50 und quatschte jeden an, den er gerade traf. Scheinbar war er auf sämtlichen Festivals, die es gibt auf dieser Welt. „Hier ist’s super,“ meinte er, „aber Thailand ist anders. Da wird gleich 7 Tage gefeiert, hier ist’s zu kurz, 7 Tage musst du feiern!“
Die Busfahrt führte uns durch unglaubliche Landschaften. Wir konnten einige Blicke in tiefe, grüne Canyons erhaschen, hier sollten wir unbedingt mal richtig schön wandern gehn. Bisschen Sorgen machte ich mir über unsere bislang nicht vorhandene Unterkunft. Die Jungs meinten, es sei gerade Hauptsaison und alles wäre ausgebucht. Johannes und ich gingen taktisch vor. In Valle Gran Rey angekommen, stiegen wir etwas vor den anderen aus. Wir wollten an eine Telefonzelle stürmen und von dort aus ein Zimmer reservieren, bevor der restliche Pulk aus dem Bus die Hotels erreichen konnte. Aber so einfach war das nicht, denn es war wirklich so gut wie alles belegt. Nach ’ner halben Stunde bot man uns endlich ein Doppelzimmer für 35 Euro an, allerdings nicht direkt am Meer und ohne Ausblick.
Egal, ich war froh, überhaupt was gefunden zu haben. Auf dem Weg dorthin sah Johannes ein Schild an einem Haus „Ferienwohnung zu vermieten“. Ich war schon leicht angenervt und dachte „teuer oder belegt“, aber Johannes wollte unbedingt fragen. Zum Glück, denn wir bekamen ein super Doppelzimmer für 30 Euro, außerdem konnten wir die Küche und Terasse mit Meerblick benutzen.
Es war ein paradiesischer Tag, strahlende Sonne und herrliche Wärme. Wir machten einen Ausflug zur Schweinebucht, wo es außer einem ungemütlichen Steinstrand und einem eigenartigen Meditationszentrum allerdings nicht viel zu sehen gab. Der Sandstrand etwas weiter vorn war das schon wesentlich einladender. Und endlich sprangen wir zum ersten Mal in diesem Urlaub ins Meer, was für ein Gefühl! Dann begegneten uns Boris, Jens und der Indianer wieder, die immer noch auf Zimmersuche waren. Schließlich fanden sie was über einen Bekannten von Jimmy (was so ziemlich jeder Mensch zu sein scheint, den er trifft), und zogen dort ein.
Abends wurde es richtig nett im Valle. Am Strand wurde getrommelt, Didgeridoo gespielt und gechillt. Früher war Gomera das Aussteiger- und Hippieparadies, davon soll heute angeblich nicht mehr viel übrig sein, aber da konnte man ein bisschen das alte Flair schnuppern.
Auf dem zentralen Plaza lernten wir zwei deutsche Chicas kennen. Überhaupt scheint jeder Ausländer auf der Insel Deutscher zu sein, überall gibt’s deutsche Geschäfte, deutsche Schilder, aber nicht unangenehm, weil’s doch ein recht gechilltes, etwas alternatives Völkchen ist. Die Chicas hatten sich auf der Insel kennen gelernt und konnten unterschiedlicher kaum sein. Eine war ganz lustig partymäßig drauf und überlegte, auch auf’s Festival zu fahren. Die andere, Donia, war so ziemlich die ruhigste, langweiligste Person, die ich je getroffen habe. So langweilig, dass es schon fast wieder faszinierend war.
Sie kam aus einem bayrischen Dort und wollte mal was total krasses machen, also flog sie weg. Die Entscheidung fiel zwischen Indien und Gomera, aber Indien war dann wohl doch zu heftig. Also landete sie im 5-Sterne-Hotel auf Gomera. :) Wir wollten sie überreden, mal bisschen auszurasten und mit auf die Goa zu kommen, sich ordentlich abzuschießen und zu gucken, was passiert. „Ja, ich überlegt’s mir mal…“ Wir fragten: „Gibt’s bei euch denn auch Parties im Dorf?“ „Naja… die Kirchweih.“ „Dann isses aber ganz schön langweilig, oder?“ „Ja, ich führe schon ein sehr, sehr, ruhiges Leben…“ Das meinte sie auch noch alles ernst, ich musste aufpassen, mich nicht vor Lachen wegzupacken.
Johannes legte dann mit bisschen biergeschwängertem Psychologen-bla-bla los, was er scheinbar auch noch ernst meinte. Highlight war dann aber der Satz von ihm: „Als ich dich vorhin gesehen hab dachte ich: Was für eine langweilige Person!“ Stille. Zum Glück schob er noch nach: „Aber eigentlich bist du voll interessant, du weißt nur nicht so richtig, wer du selber bist.“ Sie sagte eigentlich zu allem ja ja, irgendwann verabschiedeten wir uns und machten uns auf den Weg. Ich fragte, ob sie ein Stück mit gehen wollte, aber das war ihr dann doch zu suspekt.
Morgen früh um 7 Uhr will Johannes im Meditationszentrum meditieren gehen und eventuell dort diese Donia treffen. Ich kann mir ja kaum vorstellen, dass er das hinkriegt, aber schaun mer mal.