Grenzüberquerung extrem



 

Boa, was für ein Tag war das heute! Ich wusste zwar, dass es an der Grenze zwischen Venezuela und Kolumbien etwas rustikal zugeht, aber dass es so ein Abenteuer werden würde, hätte ich nicht gedacht.

Aber der Reihe nach. Wir hatten uns ja genau erkundigt, wieviele Bolivares man braucht, um nach Kolumbien zu kommen, es sollten für jeden 300 sein (30 Euro). Wir hatten zusammen noch knapp 700 (70 Euro) und noch 10 Dollar als Puffer, also kein Problem, dachten wir. Los ging’s von Coro nach Maracaibo mit dem ersten Por Puesto (Sammeltaxi). Alles easy, bis auf dass der Fahrer die Klimaanlage auf gefühlte 5 Grad drehte und wir uns bibbernd in dicke Pullover hüllen mussten.

Von Maracaibo aus sollte uns das nächste Por Puesto eigentlich nach Maicao bringen, den ersten Ort auf kolumbianischer Seite. Wir landeten in einer uralten amerikanischen Karre, die diesmal zum Glück keine Klimaanlage hatte. Der Preis war auch ok, 100 Bolivares (10 Euro), das lag noch gut in unserem Budget. Johannes und ich saßen auf der Rückbank, daneben noch eine junge Mutter mit ihrer kleinen Tochter auf dem Schoß. Sie erzählte, dass sie in Kolumbien geboren ist, aber in Venezuela aufgewachsen und nun ihre Familie in Kolumbien besuchen will, die sie 10 Jahre lang nicht mehr gesehen hat. Auf dem Vordersitz saß eine vielleicht 50jährige Frau mit ihrem erwachsenen Sohn. Sie hatte eine ziemlich raue, schnoddrige, Art und sprach so schnell spanisch, dass ich selbst mit mehrmaligem Nachfragen nur wenig verstand. Sie schien das Herz aber am rechten Fleck zu haben. Unser Fahrer war, wie die meisten seiner Kollegen in Venezuela, so maulfaul, dass man ihn mehrmals ansprechen musste, um überhaupt den Hauch einer Reaktion zu bekommen.

So ungefähr 20 km vor der Grenze passierten wir den ersten Checkpoint. Anhalten, Pässe zeigen, angestarrt werden, Kofferraum auf, alles ok, bis auf… die junge Mutter hatte weder einen Pass, noch einen Ausweis dabei, nur einen seltsamen Wisch mit einer Unterschrift, den sie den Polizisten vorhielt und irgendwas unverständliches dazu erklärte. Kurze Diskussion, dann wurde wir durchgewunken und fuhren weiter. Diese Frau wollte tatsächlich ohne irgendwelche Papiere die Grenze nach Kolumbien überqueren! Das kann ja heiter werden, dachten wir. Frau Schnodderschnute diskutierte mit ihr, ich verstand nicht allzu viel, aber es so so aus, als würde sie nicht glauben, dass sie ohne Papiere über die Grenze käme.

Je näher wir der Grenze kamen, um so öfter passierten wir Checkpoints. Mal durften wir einfach durchfahren, mal mussten wir die Pässe zeigen und immer wieder gab es wieder die gleiche Diskussion über die nicht vorhandenen Papiere der Mutter. Aber letztendlich durften wir jedes Mal weiter.

Das Grenzgebiet ist ziemlich gefährlich, es war offensichtlich, dass die Leute dort bettelarm waren, in verfallenen Hütten hausten und verzweifelt versuchten, am Straßenrand irgendwas zu verkaufen. In dem Gebiet sind ziemlich auch viele Schmuggler und Rebellen unterwegs, auf jeden Fall kein guter Ort, um als Ausländer mit sämtlichem Gepäck herumzulaufen. Mussten wir ja auch nicht… dachten wir zumindest. Doch plötzlich fanden wir uns am Ende einer LKW-Schlange wieder, die sich keinen Zentimeter mehr bewegte. Frau Schnodderschnute meinte, dass es hier nicht mehr weiter ginge, wir aussteigen müssten und uns ein Stück weiter ein neues Por Puesto suchen.

Uns blieb nun nichts anderes übrig, als das zu tun und mitzulaufen. Die junge Mutter hatte offensichtlich viel zu viel Gepäck dabei, um ihr Kind und ihre Sachen zu Fuß zu transportieren. Johannes und ich boten ihr an, eine schwere Kiste zu tragen und hatten dadurch gleich einen Stein unseren drei Einheimischen Begleitern im Brett. Wir liefen los, nach der ersten Kurve sahen wir, dass die Straße, so weit man schauen konnte, von LKWs blockiert war. Wir liefen weiter, ab und zu versperrten die Ärmsten der Armen die Straße mit einem Seil und wollen Geld von denen, die vorbei wollten. Wir krochen einfach drunter durch und liefen weiter.

Die Kiste wurde nun langsam unerträglich schwer, aber was sollten wir machen, wir konnten sie ja kaum der armen Mutter wieder in die Hand drücken, die ihr Kind auf dem Arm hatte und eine Tasche in der anderen Hand. Irgendwann passierten wir schließlich den letzten stehenden LKW und die Straße war wieder frei.

Ich vertraute unseren drei einheimischen Mitfahrern inzwischen ganz gut und sie respektierten uns als freundliche Kistenträger ebenfalls. Es war unser Glück, dort nicht alleine durch zu müssen, denn Frau Schnodderschnute verhandelte mit den nächsten Por Puesto Fahrern hart und heftig, so dass wir zu einem einigermaßen angemessenen Preis weiter fahren konnten. „Weiter“ war aber leider nicht sehr weit, denn nach einigen Kurven versperrte der nächste LKW die Straße. Ich konnte in Erfahrung bringen, dass es ein Problem mit dem Sprit-Nachschub in der Gegend gab und sich deswegen nichts mehr bewegte.

Also wieder raus, Kiste schleppten, diesmal nur ein paar Meter, dann war die Straßen wieder frei, auf zum nächsten Por Puesto, Verhandlung durch Frau Schnodderschnute und ab Richtung Grenze. Allerdings wollte uns der Fahrer nicht über die Grenze drüber fahren, sondern nur bis zum letzten Ort auf venezuelanischer Seite. Unsere Bolivares wurden langsam bedrohlich knapp, dieses Chaos hatten wir nicht mit einberechnet und wir wussten, dass wir bei der Ausreise aus Venezuela noch 30 Bolivares (3 Euro) Ausreisesteuer bezahlen mussten.

Als wir im Grenzort ankamen und ausstiegen schlug uns eine seltsame Stimmung entgegen. Der Ort war total heruntergekommen, seltsame Gestalten bewegten sich auf der Straße und starrten uns mit großen Augen an. Drei Verkäuferinnen an einem Essensstand fragten, wo wir herkämen. Frau Schnodderschnute meinte „Son alimanes!“ („Es sind Deutsche!“) „Son animales?“ („Es sind Tiere?“) fragten sie? Von Deutschen hatten sie noch nie etwas gehört. Zwei besoffene Typen boten uns an, uns auf ihrem Pick-up über die Grenze zu bringen, wir lehnten ab. Die Por Puestos, die dort herumstanden, waren so teuer, dass sich Frau Schnodderschnute weigerte, diese Preise zu zahlen. Zum Glück, denn wir gingen finanziell nun schon komplett auf dem Zahnfleisch. Schließlich fanden wir einen Fahrer, der uns für 50 Bolivares (5 Euro) pro Person nach Maicao auf kolumbianischer Seite bringen wollte. Wir stiegen ein und waren überglücklich, denn uns blieben nun noch 60 Bolivares übrig, haargenau der Betrag, den wir als Ausreisesteuer bezahlen mussten… glaubten wir zumindest.

An der Grenze angekommen dann der Schock… die Ausreise sollte 90 Bolivares pro Person kosten! Wir erklärten dem Beamten, dass wir zusammen nur noch 60 hätten und ob er nicht eine Ausnahme machen könne. Er schüttelte nur den Kopf. Zahlen oder in Venezuela bleiben! Wir zogen unseren letzten Trumpf, legten unsere Not-10-Dollar auf den Tisch und fragten, ob das ok sei. Er schaute uns an und meinte nur: „Jetzt fehlen noch 80 Bolivares!“ Wir flehten ihn an, uns weiter zu lassen und versicherten ihm, absolut nichts mehr dabei zu haben. Doch er blieb hart. Das war es nun also. Gestrandet im supergefährlichen Grenzgebiet ohne einen einzigen Bolivar, um entweder weiter oder zurück zu kommen. Wir waren sozusagen Freiwild für Entführer, Erpresser oder wer auch immer sich in der Gegend herumtrieb.

Doch plötzlich hörte ich neben mir eine Stimme fragen: „Wieviel fehlt euch?“ Ungläubig schaute ich zur Seite und sah einen Mann im mittleren Alter. „Wir haben nichts mehr und kommen nicht weiter!“ antwortete ich. „Wieviel fehlt euch?“ wiederholte er. „80 Bolivares“, sagte ich. Er holte sein Portemonnaie aus der Tasche und legte ohne mit der Wimper zu zucken einen 100er Schein auf den Tisch. Ihn hatte der Himmel geschickt! „Ich bin Kolumbianer, Gott schütze euch!“, sagte er, gab uns die Hand und verschwand. Wir konnten es kaum glauben, das war komplett verkehrte Welt! Auf der ganzen Odyssee hatten uns die Leute gierig angestarrt, weil sie uns für reiche Gringos hielten, und nun rettete uns ein Kolumbianer, für den 80 Bolivares sicher viel Geld ist, einfach so den Arsch, ohne etwas dafür haben zu wollen.

Nun konnten wir weiter mit unseren drei einheimischen Begleitern über die Grenze, die Mutter kam tatsächlich ohne Papiere durch, mit ihrem seltsamen Wisch und noch einigen Diskussionen. In Maicao angekommen verabschiedeten wir uns und stiegen am Busterminal aus.

Es war einfach superleichtsinnig, mit einem Budget, das Arsch auf Kante genäht war, die Grenze überqueren zu wollen in einem Land, in dem eigentlich immer irgendwas schief geht und an einer Grenze, an der man auf keinen Fall als Ausländer stranden sollte. Als letzten Notnagel hätten wir vielleicht noch die paar kolumbianischen Pesos, die wir für die Weiterfahrt dabei hatten, irgendwo umtauschen und uns damit retten können, aber lustig wäre das alles nicht geworden.

Wir waren froh, als wir unser Busticket nach Santa Marta in der Hand hatten, wo wir sicher wieder an neues Geld kommen würden. Der Bus war günstiger als gedacht, so dass wir noch einige kolumbianische Pesos übrig hatten. Plötzlich tauchte unser Retter am Busterminal wieder auf. Unser übriges kolumbianisches Geld war ungefähr so viel, wie er für uns bezahlt hatte. Ich wollte es ihm geben, aber er winkte nur ab, gab uns beiden die Hand und sagte: „Gott schütze euch!“ Dann verschwand er.

Letzer Tag in Coro… Abschied von Venezuela



 

Heute verbrachten wir unseren letzten Tag in Coro. Wieder sehr gechillt, Johannes lag in der Hängematte und las ein Buch und ich hab bisschen am Rechner rumgedaddelt, dabei ließen wir uns den erfrischenden Wind um die Nase wehen. Waren superentspannte Tage hier, in Coro kann man auf jeden Fall richtig gut mal einen Gang runter schalten.

Gestern Abend habe ich nochmal probiert, partytechnisch was klar zu machen, aber an ’ne Montagabend in ’nem 200.000 Einwohner-Städchen war da nichts zu machen. Habe ein paar junge Leute angequatscht, die bei so ’ner Art Open-Air Familienfeier rumstanden und gefragt, wo es denn was zu tanzen gäbe. Nach langem Überlegen haben sie mich zu ’ner Bar namens Castellana geschickt, die dann aber montagabends dicht war. Ich muss mich für diese Reise dann wohl oder übel von dem Gedanken verabschieden, mir ’ne hübsche Venezuelanerin zu angeln, aber ich komme sicher wieder. :)

Kurz vor der Abenddämmerung bin ich noch bisschen durch die Gassen von Coro geschlendert, inzwischen gefällt mir das Städchen richtig gut. Im Gegensatz zum Sonntag waren sogar Menschen auf der Straße, hin und wieder winkte mir auch mal jemand zu oder grüßte mich. Man ist als Nicht-Südamerikaner hier zwar nicht ganz so ein Superstar wie in Chichirivice, aber umdrehen tun sich die Leute auf der Straße schon noch. :) Habe ein paar ganz nette Fotos von den alten, amerikanischen Autos geschossen, die sich hier so durch die Straßen schieben. Bei einigen kann man sich kaum vorstellen, dass sie die nächste Straßenecke noch überstehen und sie schlucken sicher so viel Benzin wie ein Panzer, bei Spritpreisen von 2-4 Cent pro Liter kümmert das hier aber keinen. Johannes setzte den ganzen Tag keinen Fuß vor die Tür und gab sich den kompletten Hardcore-Chillout.

Morgen früh machen wir uns auf den Weg nach Kolumbien. Die Tage hier waren schön um mal runterzukommen, aber ich bin nun auch bereit, endlich weiter zu ziehen. Uns bleibt auch gar nichts anderes übrig, denn nach einem Kassensturz und einigen Erkundigungen, was uns die Fahrt nach Santa Marta in Kolumbien kosten würde, bleiben uns nur 10 Dollar Notreserve. Vor Santa Marta treffen wir in Kolumbien auf keinen Geldautomaten und in Venezuela wollen wir mit unseren letzten Bolivares auskommen, um nicht zum offiziellen Tauschkurs abheben zu müssen. Haben deshalb die letzten beiden Tage nur noch selbst gekocht und auf Sparflamme gelebt. Aber wenn nichts schief geht, scheint es ziemlich genau zu passen.

Ich bin gespannt auf die Fahrt und die Grenzüberquerung, das wird sicher recht abenteuerlich. Los geht’s um 5:00 Uhr mit einem Sammeltaxi nach Maracaibo, von dort aus mit dem nächsten Sammeltaxi über die Grenze nach Maicao, den ersten Ort auf kolumbianischer Seite. Maicao ist voll von Schmugglern und Halsabschneidern, deshalb werden wir dort nicht übernachten sondern versuchen, direkt weiter mit dem Bus nach Santa Marta zu kommen.

Ich habe schon wilde Geschichten über die Grenzüberquerung gehört, dauernde Checkpoints und ewige Durchsuchungen sollen da üblich sein. Travelnden Gringos werden dabei wohl auch hin und wieder mal ein paar Scheine abgenommen, was wir uns bei unserem Budget aber echt nicht mehr leisten können. Mal schauen, wenn alles gut geht, kommen wir morgen Abend tatsächlich in Santa Marta an.

Chillout in Coro



 

Gestern Morgen haben wir uns auf den Weg nach Coro gemacht. Die Busfahrt dauerte so 4 Stunden und war ganz lustig, ein Vater und sein Sohn quatschten uns an und der Sohn wollte alles über Deutschland wissen. Welche Musik man da hört, ob David Guetta beliebt ist, ob man Facebook benutzt, welche Handys es gibt, welche Währung wir haben und so weiter. Der Vater war ein glühender Anhänger von Chavéz und war überzeugt, dass es mit Venezuela nach den Wahlen aufwärts gehen wird. Er wusste ganz gut über die Politik in Europa bescheid, über die Eurokrise, welche Länder gerade Probleme haben und wo welche Regierung an der Macht ist. Unser Gespräch hat den halben Bus neugierig gemacht, neugierige Gesichter drehten sich um und staunten, was wir da so erzählten.

Als wir in Coro ankamen, dachten wir, wir wären in einer Geisterstadt gelandet. Wir haben uns ein Hostel in der Altstadt gesucht, die aus süßem, kleinen Kolonialhäuschen besteht, aber die Straßen waren fast komplett menschenleer. Es war richtig gespenstisch, als wäre irgendeine Seuche ausgebrochen und hätte alle dahingerafft. Das war erstmal ein kleiner Schock, aber wenigstens haben wir ein supergemütliches Hostel mit einem gechillten Innenhof mit Hängematten gefunden. Die Chefin ist Argentinierin und total lieb. Ich konnte mich dann mit Coro auch ein wenig versöhnen, als sie sagte, dass die Stadt am Sonntag wie ausgestorben sei, sich das in der Woche aber wieder ändern würde.

Heute werde ich mal ein wenig durch die Stadt schlendern. Johannes hat sich in die Hängematte gechillt und ist da wohl auch nicht mehr so schnell rauszukriegen. Ich hoffe, dass wieder ein paar Mädels Fotos mit mir machen wollen. :) Ich würde mir ja gerne noch so ’ne süße Venezuelanerin anlachen, weil das hier wohl unser letzter richtiger Stopp vor Kolumbien sein wird. Wird aber wohl eher schwierig, weil partytechnisch wohl erst Richtung Wochenende wieder was abgehen wird und wir wohl kaum so lange hier bleiben werden. Aber wer weiß, Johannes ist sowieso gerade auf Chillout-Modus und würde am liebsten ewig in der Hängematte rumbaumeln, nachdem er in den letzten 5 Wochen recht fix unterwegs war und ich lasse den Vibe der Stadt mal auf mich einströmen.

Reggaeton-Schalldruck-Battle



 

Gestern Abend haben Johannes und ich uns die Bäuche bei einem weiteren Grillmeister hier vollgeschlagen, dann ging’s ab zur Strandpromenade, wo abends ordentlich was los ist. Es gibt unzählige Verkaufsstände, die irgendwas verchecken, die Leute hängen rum, trinken und quatschen.

Wir sind hier die einzigen Nicht-Südamerikaner im Ort, also waren wir eine ziemliche Attraktion. Dauernd kamen Mädchen vorbei und wollten Fotos mit uns haben, ganze Familien mit ihren Töchtern. Und statt zu sagen: „Geht von diesen Männern weg!“ ließen die Mütter ihre Töchter noch posen und spielten das Spiel freudig mit. Wir kamen uns vor wie Stars, flanierten die Promenade hoch und runter, zischten uns ein Bier nach dem anderen rein und ließen uns bestaunen. :)

Später gab es auf der Straße einen Battle der Auto-Soundsysteme. Die Jungs hier haben ihre Kofferräume in komplette Schalldruckanlagen verwandelt, bei manchen Karren nahmen die Verstärker die komplette Rückbank ein. Es wurde so laut aufgedreht, dass sich das Berghain davor fast verstecken müsste. :) Der Lauteste gewinnt, dort wird dann ordentlich gefeiert.

Wir haben uns ziemlich die Kante gegeben da, irgendwann konnten wir kaum mehr stehen und haben uns auf den Weg zurück zu unserer Posada gemacht.

Wir torkelten die Straße runter und stützten uns gegenseitig, da spürte ich plötzlich einen Schlag auf meinem Hinterkopf. Ich drehte mich um und sah drei Jungs, einer auf einem Moped, zwei zu Fuß. Johannes sagte: „Mir hat einer eine Flasche über den Kopf gezogen!“ Der auf dem Moped rief: „Gib mir dein ganzes Geld!“ Da raffte ich plötzlich, dass die Typen uns ausrauben wollten. Aber sie wirkten, als hätten sie das noch nie gemacht, die Flasche hatten sie nicht richtig durchgezogen, sonst wäre Johannes wohl nicht mehr gestanden. Sie waren nicht wirklich fordernd oder setzten mit weiteren Angriffen nach.

Ich beschloss zu rennen, unser Hotel war nur noch wenige Meter entfernt. Als ich etwas Abstand hatte und mich umdrehte sah ich, dass Johannes einfach zwischen den Jungs langsam weiter lief und anfing zu diskutieren. Ich schrie: „Renn, Johannes, renn!“ Ich hörte nur sowas wie: „Häää, warum denn?“ Er hatte die Situation einfach nicht gerafft und ich konnte brüllen was ich wollte, er fing einfach nicht an zu rennen. Total bescheuert, dachte ich. Es war auch nicht nur sein Problem, denn wenn sie ihn weiter angegriffen hätten, hätte ich ihm auf jeden Fall helfen müssen. Zum Glück kam keiner hinter uns her, wir erreichten unsere Posada, klingelten und ich war froh, als wir drin waren. Es hatte auch keiner gesehen, wo wir übernachteten.

Ich glaube, das war so ein Gelegenheitsüberfall, die Typen haben gesehen, dass wir nicht mehr gerade laufen konnten und wollten es einfach mal ausprobieren. Aber dass bei Johannes nicht alle Lampen auf Alarm gehen, wenn er eine Flasche über den Schädel gezogen bekommt, will mir immer noch nicht ganz in den Kopf.

Heute machen wir uns hier aus dem Staub, es geht weiter nach Coro.

Inselparadies im Nationalpark Morrocoy



 

Gestern Morgen haben sich Johannes und ich auf den Weg nach Chichirivice gemacht, einem kleinen Ort an der Karibikküste, von wo aus man einige kleine, süße Strandinseln des Nationalparks Morrocoy erreicht. Die Fahrt allein war schon ein kleines Abenteuer, endlich mal wieder in alten, klapprigen Bussen sitzen und mit Vollgas durch die Serpentinen rasen. Irgendwie scheint jeder Busfahrer, der hier was auf sich hält, eine dicke Anlage in seinen Bus einzubauen und die Musik bis zum Anschlag aufzudrehen. Reggaeton-Beats dröhnten durch den Bus, die mir so richtig Bock auf die nächste Party gemacht haben.

Die Fahrt dauerte den ganzen Tag, wir kamen schließlich kurz nach Einbruch der Dunkelheit in Chichirivice an. Wir machten uns auf die Suche nach einer Bleibe, der Ort machte einen gechillten Eindruck, aber trotzdem fühlte ich mich nicht so ganz wohl, mit den dicken Rucksäcken durch die Straßen zu laufen. Ein Straßenhändler rief uns zu: „Hier passiert nichts, alles ruhig.“

Nach einer Weile fanden wir schließlich ein Doppelzimmer für 300 Bolivares (30 Euro), nicht ganz billig, aber die Unterkünfte scheinen hier allgemein etwas teurer zu sein. Dafür hatten wir eine Klimaanlage, was auch dringend nötig war, weil der Raum sich ohne innerhalb von Minuten auf 40 Grad erwärmte.

Wir suchten uns noch was zu essen und landeten schließlich bei einem Typen, der riesige Fleischmassen auf einem Grill liegen hatte. Er hatte lange Haare, war so dick, dass man meinen könnte, er sei selbst sein bester Kunde und hatte etwas richtig schlachterhaftes. Als wir uns setzten, fragte er barsch: „Pollo?“ (Hähnchen) Als wir lieber Rindfleisch wollte, nickte er nur kurz, dann bellte er wieder: „Cerveza?“ (Bier) Dann holte er ein dickes Stück Fleisch vom Grill und zerteilte es mit einer riesigen Machete. Irgendwie mochte ich ihn, er war ein richtiges Original und als ich ihn fragte, ob ich ihn an seinem Grill fotografieren dürfte, lachte er sogar mal kurz.

Der Fleischberg hat uns so gefüllt, dass wir kaum mehr laufen konnten. Johannes legte sich gleich ins Bett, ich bin nochmal zur Strandpromenade gesteuert und habe die Lage sondiert. Es war ordentlich was los, hübsche Mädchen unterwegs, aber ich war völlig fertig, zum einen vom Fleischberg, zum anderen von der Sauferei am Abend davor. Habe versucht mit ein paar Bierchen wieder Oberwasser zu gewinnen, aber mir fielen trotzdem fast die Augen zu.

Irgendwann hat mich eine dunkle Schönheit angesprochen, deren Stimme mir aber gleich verdächtig tief vorkam. Ihr Gesicht sah aber wiederum sehr weiblich aus, sie erzählte mir was von ihrem Mann, der nicht da ist und dass sie sich deshalb ein bisschen vergnügen wolle. Ich grübelte und grübelte, ob das ’ne Frau oder ’ne Transe war. Als ich mir ihre Finger näher anschaute, fiel mir auf, dass die für ’ne Frau etwas zu groß waren. Ich sah zu, dass ich wegkam und packte mich auch ins Bett.

Heute Morgen machten wir uns auf den Weg zur Insel Sombrero, die die schönste im Nationalpark sein soll. Dafür muss man ein Boot mieten, das Platz für 8 Personen bietet. Es ist gar nicht so einfach, zu zweit noch weitere Passagiere zu finden, weil die Venezuelaner meistens in großen Familienclans anreisen und immer gleich ganze Boote mieten. Nachdem wir von einem Bootsfahrer zum nächsten weitervermittelt wurden und schon nicht mehr daran glaubten, hat es schließlich doch geklappt. Wir bretterten mit einem Affenzahn übers Mehr und kamen 15 Minuten später auf Sombrero an.

Die Insel ist klein, man kann innerhalb einer halben Stunden einmal ringsherum laufen. Der Tag dort war herrlich, das Wasser türkisblau, am Strand standen schattenspendende Palmen und die Chicas sahen aus, als kämen sie direkt aus dem Finale einer Miss-Wahl. :)

Am späten Nachmittag bin ich noch ein bisschen alleine am Strand rumgeschlendert, während Johannes gelesen hat, als mich eine hübsche Mutter mit zwei hübschen Töchtern fragte, ob sie mich mit ihren beiden Töchtern fotografieren dürfte. Schwuppdiwupp hatte ich links und rechts jeweils eine im Arm und grinste in die Kamera. Dann wollte die Mutter auch noch ein Foto mit mir, kuschelte sich in meinen Arm und die Tochter knipste nochmal. Wir haben noch bisschen geschnackt, dann musste ich weiter, weil unser Boot zurück aufs Festland fuhr. Solche Momente sind einfach magisch am Reisen, finde ich. :)

Gleich geht’s nochmal Richtung Fleischberg, heute aber vielleicht mal bei ’nem anderen Schlachter. :)

Johannes ist da, ab nach Choroní!



 

Johannnes und ich sind nun schon 2 Tage im Paradies. Nachdem Chavez sich aus dem Flughafen von Caracas bequemt hatte, konnten auch alle weiteren Flugzeuge landen und 2 Stunden später stand Johannes endlich vor mir.

Wir trafen unseren Abhol-Service und kurz danach kam auch Gretel Schell an, die mit uns mitfahren sollte. Wir dachten eigentlich, dass Gretel eine Deutsche wäre, aber sie meinte: „Ich bin Argentinierin und habe deutsche Vorfahren, aber keine Nazis!“

Auf dem Parkplatz tauschten Johannes und Gretel bei einem Schwarztauscher Dollars gegen Bolivares, es war wie in einem schlechten Film. Dunkle Ecke, Dollars rüber geschoben, ein dickes Bündel Bolivares in 20er Scheinen bekommen, nachgezählt, verarscht worden, protestiert, noch ein paar Scheine mehr bekommen, alles ok.

Wir fuhren 4 Stunden lang über Serpentinen, die einem den Magen ordentlich durchschüttelten, dann kamen wir endlich gegen 1 Uhr nachts in Choroní an, genauer gesagt im süßen Ortsteil Puero Colombia. Es ist superschön hier, ein kleines Örtchen mit süßen Häuschen, wo man sogar nachts sicher auf der Straße rumlaufen kann.

In Venezuela scheint überhaupt der größte Wert, den es gibt „seguro“ (sicher) zu sein. Wenn sich Leute unterhalten und irgendeinen Ort besonders hervorheben wollen, dann wird er immer mit „seguro“ beschrieben.

Haben uns dann noch ans Meer gechillt, ein paar Bierchen geleert, mit einem Caraqueño gequatscht, der gerade hier Urlaub macht, uns mal wieder sagen lassen, wie gefährlich Caracas doch sei. Johannes meinte noch, was denn schon passieren soll, es ginge den meisten doch nur um Geld. Der Caraqueno antwortete: „Sie bringen dich einfach um, egal, ob du Geld hast, oder nicht“.

Gestern haben wir einen faulen Tag am Strand verbracht. Das Meer ist wunderbar, das Wasser klar, die Wellen umwerfend, Karibikfeeling pur. Abends haben wir uns wieder mit ein paar Bierchen an die Strandpromenade gechillt und mit ein paar Einheimischen bisschen rumgelabert. In Macuto hatte mir ein Typ im Hotel zugeraunt, dass ich hier unbedingt zu einem ganz besonderen Strand namens „Signaga“ fahren sollte, weil dort die beste Party abgehen soll.

Ich habe ein paar Leute danach gefragt und immer, wenn der Name dieses Ortes fiel, bekamen alle leuchtende Augen. „El Paraiso“ (das Paradies), wurde er nur genannt. Man muss wohl eineinhalb Stunden mit dem Boot dorthin fahren und es scheint so eine Art Surferparadies zu sein, wo nachts partytechnisch die Bombe hochgeht. Ich befürchte aber, dass man als Nicht-Surfer dort die unterste Kaste ist, deswegen skippen wir das und fahren heute direkt weiter nach Chichiriviche. Von dort aus kommt man in den Nationalpark Morocoy, der aus traumhaften Inseln bestehen soll.

Schaurige Geschichten vom Taxifahrer



 

Ich bin gerade von Macuto mit einem vom Hotel organisierten Fahrer zurück zum Flughafen gefahren, wo ich nun auf Johannes warte. Eigentlich wollte ich einen Bus nehmen, weil mir das Geld bis jetzt wie Sand zwischen den Fingern zerrinnt, aber als mir die Autofahrt für 100 Bolivares (10 Euro) angeboten wurde, war ich schließlich einverstanden.

Für die 11 Kilometer von Macuto zum Flughafen brauchten wir eineinhalb Stunden, weil es einen Stau gab, der nur Schritttempo zuließ. Sind aber zum Glück rechtzeitig losgefahren. So blieb viel Zeit, mit dem gesprächigen Fahrer zu schwatzen. Ich war froh, nicht im Bus zu sitzen, denn er meinte, die Strecke sei sehr gefährlich, weil sie an vielen Barrios vorbei führt. Ich fragte ihn ein bisschen über die Situation in den Barrios aus und hörte unglaubliche Geschichten.

Von der Straße aus ist alles einfach ein einziges Hütten- und Häusermeer an den Hängen. Er meinte jedoch hin und wieder: „Dieses Barrio ist sicher“, und wenige Meter weiter, wo es ganz genauso aussah: „Wenn hier jemand seinen Fuß reinsetzt, den dort keiner kennt, wird er sofort erschossen.“ Zu einem anderen meinte er schließlich: „Hier war es bis vor kurzem sehr gefährlich, aber eines Nachts hat die Polizei das Barrio gestürmt und alle erschossen, jetzt ist es sauber und sicher.“ Es ging so weiter: „Dieser Bürgersteig ist sicher, aber,“ …ein paar Meter weiter… „auf diesem würdest du als Tourist erschossen.“

Er meinte, wenn er die gleiche Strecke nachts fährt, wird er alle paar Meter von der Polizei angehalten. Ich meinte, dass das ja nervig sei, aber er sagte nur „Bevor das so war, standen Typen mit Knarren auf der Straße und haben den Leuten die Autos geklaut.“

Irgendwann erzählte ich, dass ich gestern um 17:30 Uhr einen Bus von Gato Negro in Caracas nach Macuto gesucht hatte. Da schlackerte er mit den Ohren und meinte, Gato Negro sei eine der gefährlichsten Gegenden in Caracas und ich hätte viel Glück gehabt, dort nicht überfallen worden zu sein.

Vielleicht übertreibt er etwas, vielleicht auch nicht, auf jeden Fall bin ich froh, die 3 Tage in und um Caracas ohne Blessuren überstanden zu haben. Ich war schon ziemlich in Alarm-Stimmung die ganze Zeit, aber bisschen gesucht habe ich diesen Kick ja ehrlich gesagt auch. Jetzt sitze ich am Flughafen und warte auf Johannes. Eigentlich sollte er vor einer Stunde gelandet sein, aber momentan haben alle Flüge 2 Stunden Verspätung, weil Chavez zwischendurch hier aufgeschlagen ist und deshalb alle anderen Flüge verschoben wurden.

Macuto… ich muss hier schnellstens weg!



 

Was für ’ne Schnapsidee war das denn, hierher zu kommen! Im kleinen Städchen Macuto, 30 Kilometer nördlich von Caracas, liegt der nächste Strand. Ich wusste schon, dass es nicht der schönste ist, aber ein kleines bisschen Karibik-Flair habe ich mir doch vorgestellt.

Wollte mich hier eigentlich mit Johannes treffen, weil er nicht nach Caracas rein wollte, und ein paar Tage rumchillen, aber als ich heute früh Richtung Strand geschlendert bin, traf mich schon ein bisschen Schock. Macuto ist ziemlich heruntergekommen, halb verfallen und der Strand nur ein Sandstreifen mit ein paar Steinen links und rechts. Das alleine würde mich noch nicht stören, wenn ein entspannter Spirit in der Luft liegen würde, aber die Leute hier scheinen noch heruntergekommener zu sein als die Stadt. Die Hälfte der Bevölkerung scheint aus besoffenen Assis zu bestehen, die einfach nur grimmig drein schauen. Und am Strand gibt’s auf einmal nicht mal mehr hübsche Chicas, sondern nur noch unförmige dicke. Und das in Venezuela!

Nach einem kurzen Morgenspaziergang hatte ich nur noch einen Gedanken: Wie komme ich weg hier und verhindere, dass Johannes und ich hier noch eine Nacht bleiben müssen?

Also das Internet angeworfen und die nächsten Strandorte abgecheckt. Alles nicht so wirklich ideal, weil Johannes erst abends ankommt und wir mit Bussen hier um diese Uhrzeit nicht mehr sicher wegkommen mit dem ganzen Gepäck. Aber dann erschien wie ein Engel die Webseite einer Deutschen, die seit 17 Jahren in Venezuela lebt und im Nationalpark Henri Pittier direkt am Meer eine günstige Unterkunft betreibt und… tataaaaa… für 80 Euro einen Abholservice vom Flughafen organisiert. Nicht billig, aber die Fahrt dauert 5 Stunden und mit einer zusätzlichen Übernachtung hier wären wir auch nicht günstiger weggekommen.

Ich hab per Telefon fix alles mit ihr klar gemacht, den Johannes angerufen, der inzwischen auf dem Flughafen in Lima stand, einen Treffpunkt ausgemacht und ab dafür! Nichts hält mich mehr in diesem Kaff hier, die Leute kommen mir noch unfreundlicher als in Caracas vor. Obwohl ich auch festgestellt habe, dass sie schnell auftauen, wenn man ein paar spanische Worte mit ihnen wechselt. Ich glaube, hier ist man einfach überhaupt keine Touristen gewohnt. Um sich an mich zu gewöhnen, bleibt aber auch keine Zeit mehr, denn in 2 Stunden mach ich mich aus dem Staub hier.

Seilbahn hoch, Seilbahn runter und dann endlich raus aus Caracas



 

In Caracas gibt’s eine Seilbahn, die einen auf den über 2000 Meter hohen, dschungelbewachsenen Berg El Ávila bringt. Hab mich gestern Morgen auf den Weg dorthin gemacht, mir ein Ticket gekauft, mich in eine relativ kurze Schlange gestellt und gefragt, was die Menschenmassen wohl wichtiges wollten, die ein paar Meter weiter in die andere Richtung anstanden. Ein paar Minuten später wusste ich: Meine Schlange wurde an der nächsten Kurve um die Ecke dorthin geleitet und ich stand mir die nächsten 2 Stunden die Beine in den Bauch.

Seilbahnen sind ja nun nicht unbedingt mein Lieblingsgefährt, aber nach der ewigen Warterei beschloss ich, meine Höhenangst an diesem Tag hinter mir zu lassen und mich zu entspannen. Nach ein paar Minuten ging das sogar ganz gut. Die Fahrt dauerte 20 Minuten, führte hoch über den Dschungel und es gab eine nette Aussicht von oben auf Caracas. Allerdings war dabei eher der Weg das Ziel, denn vom Gipfel aus waren hauptsächlich Wolken zu sehen.

Irgendwie scheinen Hauptstädte mit Seilbahnen immer dazu zu führen, dass sich kleine Mädchen mit mit fotografieren lassen wollen, auf jeden Fall war ich plötzlich von 5 kichernden Chicas umgeben, die auf so ’ner Art Ferienfahrt waren und alle ein Foto mit mir wollten. Sie kamen nicht aus Caracas und haben in mir eine gewisse Hoffnung geweckt, dass die Menschen woanders in Venezuela etwas freundlicher sind. Sie waren ganz begeistert, dass ich spanisch konnte und wir haben ein Weilchen gequatscht, hauptsächlich wollten sie wissen, welche venezuelanischen Spezialitäten ich schon gegessen hatte. Lustige Begegnung irgendwie. :)

Wieder unten angekommen regnete es in Strömen und ich wartete auf ein Taxi. Dabei lernte ich zwei… ja… tatsächlich… freundliche Caraqueños kennen, einen Kerl, der inzwischen in Schweden lebt und seine Familie besucht und ein Mädel aus Caracas. Sie boten mir an, mich mit dem Auto zurück in die Stadt zu fahren und weil sie recht metropolitan daher kamen, sollte das sicherheitstechnisch auch klar gehen. Haben mich direkt nach Sabana Grande gebracht, wo ich als nächstes hin wollte, total nett.

Sabana Grande ist ein alter Einkaufsboulevard und kam gar nicht so heruntergekommen daher, wie es im Lonely Planet beschrieben war. Hatte auch nicht das Gefühl, dass es besonders gefährlich wäre, man sollte sich also nicht paranoid machen lassen. Lustig: Hab mich in ein Restaurant gesetzt und bekam, bevor ich überhaupt bestellt hatte, erstmal ein kaltes Bier auf den Tisch gestellt, sehr schön. :)

Nach einem kleinen Abstecher ins etwas schickere Altamira hab ich schließlich meine Sachen im Hostel geschnappt, mich von Gustavo verabschiedet und auf den Weg zur Busstation gemacht, von wo aus angeblich Busse nach Macuto fahren sollten. Die Sonne senkte sich schon langsam bedrohlich Richtung Horizont und ich stand mit 2 Rucksäcken beladen mitten in Caracas. So richtig wohl fühlte ich mich dabei nicht, noch weniger, als ich nach zwei Runden um den Platz immer noch keinen Bus nach Macuto gefunden hatte. Schließlich stellte sich heraus, dass bei zu viel Verkehr die Busse dorthin nicht fahren und es war eben einfach zu viel Verkehr.

An Taxis standen nur 2 blaue mit weißen Schildern da, sicher sind aber angeblich nur weiße mit gelben Schildern. Noch unsicherer wäre es allerdings, bei Einbruch der Dunkelheit mit sämtlichem Gepäck durch Caracas zu stolpern, also bin ich für schweineteure 350 Bolivares (35 Euro) eingestiegen und war gepannt, ob ich entführt würde. Nachdem ich mit dem Taxifahrer aber recht nettes Bla-Bla geschnackt hatte, fühlte ich mich einigermaßen sicher.

Der Stau war endlos, aber nach 2 Stunden kamen wir schließlich in Macuto an, wo ich ein Zimmer reserviert hatte. Es war mal wieder ein erhebendes Gefühl, anzukommen und noch alle Sachen zu haben. :)

Ich muss sagen, dass ich froh bin, aus Caracas raus zu sein, denn es ist keine schöne Stadt, die Stimmung ist angespannt und man trifft nur selten freundliche Leute. Allerdings kam es mir auch nicht wie die Hölle vor, als die es oft beschrieben wird und ich bin froh, es mal gesehen zu haben.

Ein Tag im Zentrum von Caracas



 

Hab mich gestern gegen Mittag dann in die Höhle des Löwen gewagt, und bin bisschen im Zentrum rumgelaufen. Die Architektur hier ist eine Mischung aus alten Kolonialbauten und dazwischengesetzten, hässlichen Betonklötzen. Richtig schön finde ich das nicht, aber war trotzdem gut, es mal zu sehen.

Apropops schön: So richtig schön finde ich wiederum die Venezuelanerinnen. Die gewinnen ja regelmäßig alle Schönheitswettbewerbe und das auch mit gutem Grund. Auf der Straße begegnet einem eine umwerfende Chica nach der nächsten, meistens mit tiefem Dekolleté und großen Brüsten. Ich hatte mir das allerdings so gedacht, dass ich als großer Blonder in einem Land mit wenigen Touristen der Star der Straße sein würde und die mir Chicas kaum vom Hals halten könnte. Dem ist leider nicht so, die meisten würdigen mich keines Blickes. Überhaupt ist der Spirit unter den Menschen hier ziemlich ruppig und unfreundlich. Die ein oder andere Ausnahme gibt es natürlich auch, aber ich hoffe mal, dass das außerhalb von Caracas alles ein bisschen relaxter wird.

Ein kleines Abenteuer war die Geldtauscherei. Der offizielle Kurs von 1:4,30 pro Dollar ist indiskutabel, also musste ich irgendwo schwarz tauschen. Auf der Straße wird man zwar überall dafür angelabert, aber das soll ziemlich gefährlich sein. Falschgeld, ausrauben, das übliche halt. Hab deswegen eine vertrauenswürdig aussehende Kioskverkäuferin gefragt, ob sie wüsste, wo man sicher Geld tauschen könnte. Sie meinte, auf keinen Fall auf der Straße und winkte einen Typen aus einem Geschäft gegenüber ran. Der schleppte mich in eine Einkaufspassage und fragte, was ich tauschen wollte. Ich meinte, ich wolle 400 Bolivares für 50 Dollar haben, also 1:8. Er war einverstanden, schnappte sich meine 50 Dollar und machte Anstalten, damit wegzulaufen. Als ich protestierte, meinte er nur „vertrau mir“ und weg war er. Nach 10 Minuten kam er dann tatsächlich mit 400 echten Bolivares wieder und ich war endlich flüssig.

Hab mich dann bisschen umgeschaut und bin durch Straßen gelaufen, die links und rechts mit Chaves-Plakaten gesäumt waren. Der Wahlkampf hier kommt mir irgendwie so leicht einseitig vor, es scheint überhaupt keine Gegenkandidaten zu geben. Habe auf jeden Fall nicht ein einziges Plakat von jemandem anderen als Chavez gesehen. Auf dem Plaza Bolivar hat mich ein Sicherheitsmann angelabert, der mal Deutsch studiert hat und das mal wieder bisschen sprechen wollte. Als er mich fragte, was ich vom Präsidenten halte, wollte ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen und meinte, ich wüßte nicht viel über ihn. Da sagte er: „Verstehe, in eurem Land interessiert man sich nicht für unsere Politik.“ Das stimmt natürlich so nicht, aber auf eine Politikdiskussion wollte ich mich dann doch nicht einlassen.

Abends habe ich Pabellon Criollo gegessen, ein venezuelanisches Nationalgericht. Es besteht aus Reis, schwarzen Bohnen, frittierten Bananen und geschreddertem Rindfleisch. Bis auf die Bohnen fand ich es ziemlich lecker.

Heute werde ich mir das schicke Viertel Altamira anschauen und vielleicht mal ein paar Schritte nach Sabana Grande wagen, wo es etwas rustikaler zugehen soll. Dann mache ich mich aus dem Staub und suche mir ein Zimmer in Macabo, wo ich morgen Johannes treffen werde.