Gestern schauten wir uns Saigon an. Wir frühstückten typisch vietnamesisch: Nudelsuppe mit Fleisch. Stephanie stellte sich mit den Stäbchen ganz geschickt an, meine Bemühungen wurden dagegen mit belustigtem Gekicher aller Zuschauer quittiert, bis man mir schließlich aus Mitleid eine Gabel brachte.
Unser erstes Ziel war der Wiedervereinigungspalast, vor dem Vietnamkrieg Präsidentenpalast, der 1975 von der nordvietnamesischen Armee eingenommen wurde. Er ist unverändert als Museum erhalten geblieben. In den oberen Etagen kann man die prunkvollen Räume des ehemaligen südvietnamesischen Präsidenten besichtigen. In den Kellerräumen ändert sich die Atmosphäre schlagartig, dort befand sich die strategische Zentrale zur Kriegsplanung. Plötzlich findet man sich zwischen dicken Stahlwänden wieder, an denen handgezeichnete Kriegskarten hängen, man läuft durch enge Räume mit Fernmeldeapparaten und Schlafzimmer mit Stahlbetten für den Angriffsfall.
Danach liefen wir einfach kreuz und quer weiter durchs Zentrum. Eine echte Herausforderung ist der Verkehr in Saigon. Es gibt nicht allzu viele Autos, aber gefühlt Millionen von Rollern. Es ist einfach unglaublich, was da auf der Straße abgeht. Die Roller fahren nicht hintereinander, sondern in einer riesigen Traube, in der es kein System zu geben scheint. Mal wird auf den Bürgersteig ausgewichen, mal mitten auf der Kreuzung gewendet, dann mitten in den Gegenverkehr hineingesteuert. Trotzdem scheint alles irgendwie zu funktionieren, die Roller weichen sich gegenseitig immer so aus, dass es nicht zum Crash kommt.
Die Königsdisziplin in dieser Stadt ist die Überquerung einer Straße. Es gibt kaum Ampeln und der Anfängerfehler ist, zu versuchen eine Lücke im Rollerstrom zu finden. Nach spätestens 10 Minuten rafft man, dass es diese an einer 8-spurigen Straße niemals geben wird. Dann sieht man, wie es die Vietnamesen machen: Einfach loslaufen, langsam aber stetig mitten in den Verkehr hinein. Und wie von Geisterhand fließt der Verkehr plötzlich um einen herum. So sehr einem dabei die Pumpe auch geht, einfach weiterlaufen, keine ruckartigen Bewegungen machen und irgendwann hat man das rettende Ufer erreicht.
Lustig sind die kommunistischen Propagandaplakate, die einen an jeder Ecke begrüßen. Saigon ist für meinen Geschmack die westlichste Stadt auf dieser Asienreise, sie wird vom Geld regiert und es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dazwischen immer wieder von glücklichen Arbeiterhelden mit visionärem Blick angelacht zu werden. Dass wir in einem kommunistischen Land sind, wurde aber klar, als wir facebook.com in den Browser tippten: Seite nicht verfügbar, komplett gesperrt.
Aus Neugier fuhren wir gestern noch mit der Fähre auf die andere Seite des Saigon-Flusses. Dort trafen wir auf eine Welt, die nicht so viel mit dem geschäftigen Glanz des Zentrums zu tun hat. Zwischen ärmlichen Häuschen türmten sich Müllberge, dazwischen lagen die Überreste abgerissener Gebäude, daneben immer mal wieder eine rote Tafel mit einem Propagandaspruch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein Vietnamese ernst nimmt, was ihm hier als Kommunismus verkauft wird.
Heute Morgen machten wir uns auf den Weg nach Mui Ne, einem Strandort an der Pazifikküste, gerade sitzen wir im Bus dorthin. Wir machen uns schon ein paar Gedanken, was passiert, wenn das Atomkraftwerk in Japan in die Luft fliegen sollte. Wir sind zwar noch 4500 km entfernt, aber der Wind hat auf Nordost gedreht und würde eine radioaktive Wolke in unsere Richtung blasen. Keine Ahnung, ob davon hier noch was ankommen würde, aber ein komisches Gefühl ist es schon.