Aber der Reihe nach. Als wir gestern Morgen vom See aufbrachen, machten wir uns zunächst auf den Weg zum Höhlenkloster Orheil Vechi, das aus dem 12. Jahrhundert stammt und etwa eine Autostunde nördlich von Chisinau liegt. Es war eine ziemliche Herausforderung, den Weg dorthin zu finden, denn die laut Reiseführer „größte Sehenswürdigkeit Moldawiens“ war nirgends ausgeschildert. Passanten, die wir nach dem Weg fragten, zuckten nur mit den Schultern, bis uns zwei nette Typen anboten, ihrem Auto zu folgen und uns dorthin zu führen.
Das Kloster liegt in einem Tal, dessen Wände aus schroffem Kalkstein bestehen, landschaftlich auf jeden Fall malerisch gelegen. Allerdings waren unsere Erwartungen an die „größte Sehenswürdigkeit“ wohl etwas zu hoch gesteckt, denn wir fanden dort nur eine winzige Höhle, in der ein Altar und etwas Kirchenkrams standen. Wir konnten nicht glauben, dass das schon alles gewesen sein sollte und suchten den Hügel nach dem echten Höhlenkloster ab. Aber da gab es nichts weiter, nur diese eine, winzige Höhle. Der Ort war auf jeden Fall einen Besuch wert, aber ich hatte irgendetwas vom Kaliber von Petra in Jordanien erwartet und war deshalb doch etwas enttäuscht.
Gegen Abend erreichten wir Chisinau und fanden uns plötzlich in chaotischem Verkehrstreiben wieder. Die Hauptstadt hat 800.000 Einwohner und wirkt wie eine quirlige Mischung aus Überbleibseln der alten Sowjetunion und neuer, westlicher Konsumgesellschaft. Man sieht eine stolze Mittelschicht, neureiche Prolls, sympathische Studenten, klunkerbehangene Tussen, irgendwie alles auf einmal. Und trotzdem liegt über allem ein entspannter, an Lateinamerika erinnernder Sommer-Vibe, man kann es gar nicht so richtig beschreiben, es fühlt sich einfach gut an hier zu sein und das alles auf sich wirken zu lassen.
Wir nahmen uns ein Zimmer im „Hotel Turist“, das schon zu Sowjetzeiten hier gestanden haben muss. Auf jeden Fall wurde seitdem weder die die Einrichtung, noch der Service in irgendeiner Form verändert, so ist es ungewollt eine Art Erlebnishotel mit Zeitreisefunktion.
Moldawien ist für mich in Europa so etwas wie Paraguay in Südamerika: Kaum ein Tourist fährt dorthin, viele haben noch nie davon gehört und es gibt eigentlich auch nichts wirklich weltbewegendes zu sehen. Als ich 2008 in Asuncion, der Hauptstadt von Paraguay ankam, war ich auch sehr positiv überrascht und habe mich gleich ein bisschen in die Stadt verliebt.
Gestern Abend ließen wir es uns mal richtig gut gehen, aßen gebackenen Hasen in einem schicken Restaurant und stolperten dann durch ein paar Clubs. Hier wir auf jeden Fall deftig gefeiert, auch wenn man sich an den Style erst ein wenig gewöhnen muss. Wie in der Ukraine hört man hier wohl am liebsten straffe EDM Beats und macht dazu ein wenig auf dicke Hose. Der Frauen-Style ist recht tussig angehaucht, aber wenn man sich ein wenig auf das Ganze einlässt, kann man dabei ganz gut Spaß haben.
Auf jeden Fall sind die Chisinauer erfreut bis erstaunt, wenn sie hören, dass wir Traveller aus Deutschland sind. Es passiert wohl nicht so oft, dass jemand dieses Land besucht und wir sind hier eine ziemliche Besonderheit. Auch das kenne ich so ähnlich von Paraguay.