Das angebliche „Grab“ von Dracula



 

Gestern haben wir auf dem Weg nach Bukarest noch einen Zwischenstopp im Dörfchen Snagov eingelegt, weil der Lonely Planet den dort gelegenen See als „lohnenwertes Ausflugsziel“ anpreist. Unsere Erwartungen waren wohl ein wenig zu hoch gesteckt, denn der See war so ziemlich der hässlichste, der uns bisher auf unserer Tour begegnet ist. Nach stundenlanger Suche nach einer schönen Bade- und Nachtstelle ließen wir uns auf einem Parkplatz an einem Ufer nieder, an dem man schwimmen konnte, wenn man die zahlreich vorhandenen Schlingpflanzen umschiffte.

Auf einer kleinen Insel im See befindet sich eine Kirche, in der – eventuell, man weiß es nicht so genau – Vlad Tepes beerdigt ist, der – eventuell, man weiß es nicht so genau – die Vorlage für die Figur Dracula war. Als man uns auch noch Eintrittsgeld für die Besichtigung des eventuell gar nicht vorhandenen Dracula-Grabs abknöpfen wollte, lehnten wir dankend ab, so weit reicht unser Fantum dann doch nicht.

Abends warfen wir am See unseren Grill an und gönnten uns ein paar saftige Fleischhappen. Johannes aktivierte seine Hängematte und versuchte nachts darin zu schlafen, wurde aber von einem streunenden Hundelrudel wieder ins Schnauferle gejagt.

Außerdem bauten unseren Ruf als Radau-Brüder, den wir in Rumänien inzwischen sicher haben, ein bisschen weiter aus, denn seit wir gestern auf dem Parkplatz am See ankamen, versuchte ein älterer Herr uns 30 Lei (7 Euro) Stell-Gebühr für das Schnauferle abzuknöpfen. Wir dachten, dass der Parkplatz eigentlich kostenlos sei und er sich das Geld in die eigene Tasche stecken wollte und weigerten uns zu zahlen. Er ließ sich ein paarmal abwimmeln, abends meinte er aber, dass wir nun wirklich löhnen müssten, wenn wir über Nacht bleiben wollten.

Wir behaupteten, woanders zu übernachten, was aber nicht mehr sehr glaubwürdig war, als wir heute Morgen immer noch am gleichen Fleck standen. Als er schließlich mit seiner Chefin, dem Wachmann und zwei Schäferhunden anrückte, hielten wir es für angebracht, das Feld zu räumen. Am Ausgang der Anlage sahen wir schließlich das Schild, auf dem geschrieben stand, dass es wirklich 30 Lei gekostet hätte, aber nun war es zu spät und wir sahen lieber zu, dass wir Land gewannen. Vielleicht sollten wir in Zukunft das Radau-Niveau etwas niedriger halten, denn so langsam werden uns unsere Flucht-Aktionen etwas zu anstrengend.

Ärger auf dem Parkplatz



 

Als wir heute Morgen um 9 Uhr auf dem gestern noch recht verlassenen Parkplatz aufwachten, trauten wir unseren Augen nicht. Fast jeder Zentimeter war nun zugeparkt und sobald wir unsere Köpfe aus dem Schnauferle steckten, gab uns der Kassierer zu verstehen, dass wir etwas platzsparender parken sollten, was wir sogleich taten.

Auf seine Frage, ob wir die Parkgebühr schon bei seinem Kollegen bezahlt hätten, antwortete Johannes recht überzeugend mit „Yes, yes!“. Dumm nur, dass der Kassierer und sein Kollege zusammen am Ausgang des Parkplatzes standen, als wir zu unserer Wanderung aufbrechen wollten und unsere Geschichte nun nicht mehr wirklich haltbar war. Der Kollege faselte irgendwas von bezahlen, Polizei und was weiß ich, wir entschieden uns, lieber woanders zu parken. Man rief uns noch irgendwas sicher nicht nettes hinterher und wir stellten uns ein wenig weiter weg an den Straßenrand.

Dann brachen wir endlich zu unserer Bergbesteigung auf, wir hatten uns eine Route über einen 2000er ausgesucht. Zunächst führte diese aber hauptsächlich an einer Straße entlang und ich war etwas enttäuscht. Weil wir ziemlich spät dran waren, überbrückten wir das Stück von 1400 auf 2000 Meter mit einer Seilbahn, dort oben wurde es dann auch wirklich schön. Grüne Wiesen zogen sich endlos hin auf einer Hochebene, an den Hängen waren schroffe Felsformationen zu sehen und der Blick von oben auf Sinaia war atemberaubend. Für den Abstieg wählten wir eine andere Route, auf der wir so ziemlich allein auf weiter Flur waren. Wir sahen dort desöfteren Schilder, auf denen vor Bären gewarnt wurde. Wir verstanden nur nicht, was man im Falle einer Begegnung tun sollte, trafen aber auch keinen.

Wir überlegten kurz, ob wir das Schnauferle für die nächste Nacht nochmal auf den Parkplatz von gestern stellen sollten und zum Abschied morgen früh freundlich aus dem Fenster winken, aber das wäre wohl nicht die beste Idee. Der Typ heute Morgen war so sauer, dass er uns sicher die Reifen zerstechen würde. Nun haben wir uns an den Rand der Bergstraße auf etwa 1200 Meter gestellt und es gibt sogar Internet, weil das WLAN aus einem Restaurant bis hierher reicht. Open-Air-Bloggen vor Karpaten-Bergpanorama neben dem Schnauferle, irgendwie surreal und irgendwie genial.

Noch ein Schloss und ab in die Berge



 

Gestern haben wir uns ein wenig im Irish Pub in Brasov rumgetrieben. Das führte dazu, dass wir heute erst um 1 Uhr nachmittags aus den Federn kamen und einige Probleme hatten, uns in die Spur zu setzen. Schließlich machten wir uns aber auf den Weg ins benachbarte Rasnov um uns dort noch ein Schloss anzuschauen.

In diesem behauptete man ausnahmsweise mal nicht irgendwas mit Graf Dracula zu tun zu haben, sondern beschränkte sich auf die spektakuläre Lage des Schlosses auf einem Berg. Mir gefiel es auf jeden Fall besser als das touristenüberlaufene „Dracula“ Schloss, das wir gestern besucht hatten.

Danach fuhren wir weiter nach Sinaia, von wo aus wir morgen ein wenig in die rumänischen Karpaten wandern wollen. Wir haben uns mit dem Schnauferle auf einen verlassenen Parkplatz gestellt, von dem man uns hoffentlich morgen früh nicht gleich verscheuchen wird.

Graf Dracula und Deutschland in Rumänien



 

Heute Morgen haben wir uns schweren Herzens von unserer Feuerstelle am See getrennt und sind weiter nach Brasov gefahren, das auf deutsch Kronstadt heißt. Brasov ist ein süßes Städtchen mit kleinen, herausgeputzten Häuschen, die malerisch vor einem bewaldeten Berg liegen. Es wirkt, als wären wir wieder in Deutschland, denn so ziemlich jedes öffentliche Schild ist auf deutsch übersetzt, auf der Straße werden wir von Einheimischen auf deutsch angesprochen und gerade sitze ich im Restaurant „Am Rosenanger“ und habe soeben Bratwürste mit Bratkartoffeln verzehrt. Ich weiß nicht so ganz genau, wie das nun historisch zusammenhängt, auf jeden Fall hieß Transsylvanien vor dem 2. Weltkrieg „Siebenbürgen“ und gehörte zu Österreich-Ungarn.

Heute Nachmittag machten wir einen Ausflug ins nahe gelegene „Brans Castle“, das geschickt als Schloss von Graf Dracula vermarktet wird. Touristenmassen strömen dorthin, allerdings hat das Schloss mit Graf Dracula so ziemlich gar nichts zu tun. Alles was man weiß ist, dass der Autor des 1897 erschienenen „Graf Dracula“ Romans Bram Stoker sich von der transsylvanischen Geschichte inspirieren ließ. Eventuell war dabei Vlad Țepeș, ein grausamer walachischer Herrscher, sein Vorbild, doch das ist umstritten. Und eventuell, man weiß es nicht so genau, verbrachte Vlad Țepeș einmal wenige Nächte in Brans Castle. Nichtsdestotrotz wird es geschickt als Dracula-Schloss vermarktet und niemand scheint sich an der hanebüchenen Erklärung zu stören. Schön anzuschauen war das Schloss allemal, wenn auch mit etwas zu vielen Menschen und Souvenir-Shops für meinen Geschmack.

Lagerfeuerromantik in Transsylvanien



 

Gestern Morgen sind wir weiter nach Transsylvanien gefahren. Eigentlich wollten wir nach Brasov um von dort aus die rumänischen Karpaten zu erkunden. Aber eine Stunde vorher lachte uns auf Google Maps ein See ein paar Kilometer abseits der Hauptstraße an.

Wir bogen ab, um uns den mal anzuschauen und wurden nicht enttäuscht. Wir fanden eine Wiese, wo wir mit dem Schnauferle gut stehen konnten, kühlten uns ab, warfen den Grill an und ließen den Tag mit einem Bierchen am Lagerfeuer ausklingen.

Heute hatten wir beide Bock auf Faulenzen und taten nicht viel. Abends warfen wir unsere Angeln in den See, hatten aber kein Glück. Haben uns wieder etwas Holz gesammelt und ein Feuerchen angezündet, in dem wir unsere letzten Kartoffeln vom ukrainischen Bauernhof brutzeln. Morgen geht es dann weiter in die Berge.

Raus aus Transnistrien, rein nach Rumänien!



 

Wir sind nun in Rumänien gelandet. Die Grenzüberquerung aus Transnistrien heraus nach Moldawien war relativ problemlos. Zweimal Passkontrolle, ein kurzer Blick ins Schnauferle, ein paar Fragen der moldawischen Beamten, dann hatten wir es geschafft. Im Rückblick wirkt Transnistrien wie ein schräger Traum, aus dem man plötzlich wieder aufgewacht ist.

Wir legten noch einen Nachtstopp in Moldawien an einem See in der Nähe von Balti ein, konnten dort aber leider nicht schwimmen. So setzen wir uns einfach vors Schnauferle, tranken Wein und schauten erst dem Sonnenuntergang und dann den Sternschnuppen zu. Wir hatten einen richtig klaren Nachthimmel und Sternschnuppen alle paar Minuten, einfach nur Kopf in den Nacken und Kino ab.

Heute Morgen fuhren wir weiter über die rumänische Grenze nach Iasi. Der Wiedereintritt in die EU war ein wenig nervig, vielleicht auch deshalb, weil wir kurz vorm Grenzposten in Sichtweite nochmal wendeten, weil uns einfiel, dass wir noch billig in Moldawien tanken wollten. Als wir zum zweiten Mal an die Grenze kamen, wurde das Schnauferle genaustens durchsucht, bis man uns nach einer Stunde endlich weiter ließ.

Wir haben den Tag in Iasi kurz hinter der Grenze verbracht und nun auf einem Hügel ein wenig abseits der Stadt geparkt. Dort haben wir unser Nachtlager aufgeschlagen, ein paar Anwohner kamen gerade vorbei, um nach dem Rechten zu schauen. Sie hatten wohl etwas Angst vor dem seltsamen Gefährt, dass plötzlich am Acker vor ihren Häusern stand. Als ich erklärte, dass wir Camper aus Deutschland seien, war aber anscheinend alles ok.

Ärger mit der transnistrischen Polizei



 

Als wir gestern Abend gemütlich im Schnauferle schlafen gehen wollten, hielt plötzlich ein Polizeiauto neben uns. Zwei uniformierte transnistrische Polizisten stiegen aus und sprachen uns auf russisch an. Wir verstanden kein Wort, die beiden deuteten daraufhin auf ein Verkehrsschild, das einen Pfeil nach links zeigte. Man wollte uns wohl zu verstehen geben, dass wir vor dem Schild hätten links abbiegen müssen und nicht stehen durften, wo wir standen.

Die beiden waren um die 30 Jahre alt, einer war recht rundlich, der andere schlacksig. Der rundliche ließ sich von Johannes Führerschein und Ausweis geben und redete weiter auf russisch auf ihn ein. Wir versuchten uns dumm zu stellen und taten so, als hätten wir keine Ahnung, was sie von uns wollten.

Nun sollte Johannes sich ins Auto setzen, der Dickliche setzte sich neben ihn holte ein Buch mit Abbildungen von Verkehrszeichen heraus. Johannes zeigte ihm darin das Zeichen für Parkverbot um klar zu machen, dass das nirgends zu sehen war.

Die beiden Polizisten wurden nun etwas ungehalten und der Dickliche machte Anstalten, mit Johannes auf dem Beifahrersitz loszufahren. Der Schlacksige gab mir zu verstehen, dass ich mit ihm dort warten sollte, ich aber riss die Tür auf und Johannes sprang aus dem Polizeiauto. Alleine mit der transnistrischen Polizei hätte ich ihn ganz bestimmt nicht in die Nacht hinfahren lassen.

Aber es war wohl ein wenig falscher Alarm, denn der Schlacksige malte nun mit viel Mühe eine kleine Karte auf, um deutlich zu machen, was sie vor hatten. Johannes sollte mit dem Dicken eine Runde um den Block fahren, um am Anfang der Straße das Parkverbotsschild anzuschauen. Das hatte Johannes selbst aber auch schon längst gesehen, also wechselten wir die Taktik und fragten mit Händen und Füßen, wie hoch die Strafe sei.

Der Dicke schrieb zwei Preisspannen auf einen Zettel: 50 – 100 transnistrische Rubel (3,50 – 7 Euro) und 50 – 100 Dollar (37,50 – 75 Euro). Wir verstanden zunächst nicht so recht und Johannes verlangte nach einer Quittung. Da strich der Dicke den Rubelpreis weg und ließ nur noch die Dollar stehen. Alles klar, ohne Quittung 50 – 100 Rubel, mit Quittung 50 – 100 Dollar. Wir entschieden uns für die Variante ohne Quittung, aber was sollte die Preisspanne? „Zahlen Sie was es Ihnen wart ist“ oder wie? Johannes zeigte auf die 50 Rubel, wir schoben den Schein rüber und es schien ok zu sein. Der Schlacksige war noch so nett, auf seiner gezeichneten Karte einen Stellplatz zu markieren, wo wir ungestört bleiben konnten, dann verschwanden die beiden.

Wir fuhren um die Ecke zum empfohlenen Platz und wollten wieder schlafen gehen, als plötzlich ein Polizeiauto um die Ecke geschossen kam und ein Zugriffstrupp einen Typen direkt vor unserem Auto festnahm. Wir konnten durch einen Spalt neben dem Vorhang aus dem Autofenster heraus alles sehen, die Polizisten schlugen ordentlich auf den Typen ein und mir wurde ziemlich mulmig. Wo waren wir hier gelandet? Wir verriegelten alle Türen und schliefen schließlich ein.

Eine Stunde später wurde ich nochmal wach, weil ein Polizeiauto mit quietschenden Reifen auf der anderen Straßenseite hielt und ein Polizist mit kugelsicherer Weste in ein Spielcasino stürmte. Kurz darauf kam er aber anscheinend erfolglos wieder heraus. Dann verlief die Nach zum Glück friedlich.

Heute Morgen mussten wir uns noch die Genehmigung besorgen, länger als 24 Stunden in Transnistrien bleiben zu dürfen. Im zuständigen Büro gab es das Formular dafür nur auf Russisch, aber eine nette Russlanddeutsche half uns glücklicherweise bei der Übersetzung.

Wir setzten uns wieder in Bewegung fuhren innerhalb einer Stunde einmal von Süden nach Norden durch fast das komplette „Land“, das teilweise so schmal ist, dass wir auf der linken Seite Moldawien und auf der rechten die Ukraine sehen konnten. Echt surreal.

Nun haben wir gerade einen Koch-Stopp in einem kleinen, transnistrischen Dorf eingelegt und ich habe die Kartoffeln gekocht, die wir auf dem ukrainischen Bauernhof in Kvasi gekauft hatten. Auch surreal.

Transnistrien – das Land, das es gar nicht gibt



 

Wir sind in Transnistrien. Das ist total surreal. Es mag wohl daran liegen, dass es dieses Land eigentlich gar nicht gibt.

Als im Zuge des Zerfalls der Sowjetunion zwischen 1990 und 1992 Moldawien seine Unabhängigkeit erlangte, spaltete sich der überwiegend von Russen bewohnte östliche Landstreifen Transnistrien ab. Moldawien akzeptierte die Abspaltung nicht und griff Transnistrien 1992 mit Unterstützung von Rumänien an. Transnistrien wurde von Russland militärisch unterstützt und konnte nicht eingenommen werden. Nach fast fünf Monaten Bürgerkrieg mit über 1000 Toten kam es zu einem Waffenstillstandsabkommen. Bis heute wird Transnistrien von keinem Staat außer sich selbst anerkannt, allerdings hat Russland seine 14. Armee dort stationiert und damit Fakten geschaffen.

Vor ein paar Jahren hatte mir mal jemand im Zug von Budapest nach Berlin von Transnistrien erzählt, war total interessant ich hätte aber nie gedacht, dort mal vorbei zu kommen. Wo wir aber nun aber schon mal vor der Tür standen, haben wir uns heute Morgen Richtung Tiraspol aufgemacht, der „Hauptstadt“ Transnistriens. Wir wussten nicht so recht, was uns erwarten würde, aber als wir an ein Zollhäuschen kamen und zwei moldawischen Polizisten unsere Pässe zeigen mussten, war klar, dass das mit der „Landesgrenze“ ernst gemeint war.

Und das war erst der Anfang, denn hinter der nächsten Kurve war die Straße mit Krähenfüßen versperrt und unsere Pässe wurden von zwei transnistrischen Uniformierten gecheckt. Einer von ihnen hatte gesehen, dass ich aus dem Auto heraus fotografiert hatte. Das gefiel ihm gar nicht und ich musste das Foto vor seinen Augen löschen.

Doch das waren alles erst Vorposten, hinter der nächsten Kurve erreichten wir die tatsächliche Grenze. Man sprach dort nur noch russisch, aber mit etwas dämlich gucken und „Turisti, Turisti!“ konnten wir ganz gut verständlich machen, dass wir keine Ahnung hatten, wie die Einreise funktionierte. Man schicke uns zuerst zu einem Kabuff, an dem ein Typ in Militäruniform unsere Pässe kopierte und einige Fragen auf Russisch stellte, die wir allerdings nur mit einem Achselzucken beantworten konnten. Auf seiner Brust waren die kyrillischen Buchstaben „KGB“ zu lesen und mit „Turisti, Turisti!“ kamen wir auch hier ganz gut durch.

Dann wurden wir aufgefordert, das Schnauferle etwas beiseite zu fahren und mit ins Grenzgebäude zu kommen. Johannes sollte mit einem weiteren uniformierten Typen alleine in einem Büro bleiben, ich mich währenddessen in eine Schlange stellen. Als ich an der Reihe war, drückte man mir ein Formular in die Hand, das ich ausfüllen sollte. Nach weiteren unbeantwortbaren russischen Fragen bekam tatsächlich die Immigrationskarte, die es erlaubte, für 24 Stunden in Transnistrien zu bleiben.

Ich ging zurück zu dem Büro, in dem Johannes mit dem Uniformierten verschwunden war und fragte mich, ob er nun geteert und gefedert an der Decke hängen würde. Tat er aber nicht, sondern er musste dort die Einfuhrerlaubnis für das Schnauferle organisieren. Das war ein noch komplizierteres Unterfangen als die Erlangung des Immigrationsscheins, denn ich sah, wie er ein sehr längliches Pamphlet ausfüllte. Es dauerte, dauerte und dauerte, kostete 15 Euro und irgendwann gab man ihm endlich ein sehr amtlich aussehendes Dokument in die Hand, das es erlaubte, mit dem Schnauferle über die Grenze zu fahren. Danach blühte Johannes noch mal das Prozedere, das ich bereits hinter mich gebracht hatte, um die Immigrationserlaubnis für sich selbst zu erhalten. Als das geschafft war, konnten wir nach 90 langen Minuten endlich die „Grenze“ überqueren.

Und nun waren wir drin in dem Land, das es eigentlich nicht gibt. Die Grenzüberquerung war ein echtes Abenteuer, so muss es sich früher ungefähr angefühlt haben, aus der BRD in die DDR einzureisen, nie so genau wissend, was an der Grenze passieren würde. Wir erreichten bald Tiraspol, schauten staunend aus dem Fenster und dachten nur: Surreal. Die Außenbezirke sind mit uralten Industrieanlagen umsäumt, die nach verfallener Sowjetunion aussehen, aber zum Teil noch in Betrieb zu sein scheinen. Das Stadtzentrum strotzt vor altkommunistischer Symbolik, im Zentrum ist ein Denkmal mit den Gräbern der im Bürgerkrieg gefallenen Soldaten errichtet, wo Transnistrien seinen Heldenmythos pflegt. Und vor dem Parlament ragt eine übergroße Lenin-Statue in den Himmel empor. Als ich ein Foto machen wollte, wurde ich wieder von Soldaten zurecht gewiesen, denn das war anscheinend auch verboten. Habe aber trotzdem unbemerkt eins hingekriegt.

Mit der Grenzüberquerung waren unsere Herausforderungen des Tages aber noch nicht beendet. Um länger als 24 Stunden im „Land“ bleiben zu dürfen, muss man sich in Tiraspol in einem weiteren Büro registrieren. Es dauerte eine Ewigkeit, dieses zu finden, denn niemand sprach Englisch und besonders hilfsbereit schienen die Transnistrier auch nicht zu sein. Man schickte uns in verschiedene Richtungen, wir irrten ewig umher und als wir das Büro endlich fanden, war es schon zu spät und man sagte uns, wir sollten morgen wieder kommen.

Die nächste Herausforderung war die Geldbeschaffung. Was wir nicht gewusst hatten: Transnistrien hat eine eigene Währung, den Transnistrischen Rubel. Der ist nur eingeschränkt konvertierbar, so dass wir dafür mit unseren Kreditkarten nichts anfangen konnten. Zum Glück fanden wir einen Geldautomaten, der auch Dollars ausspuckte, die wir dann in einer Wechselstube in transnistrische Rubel tauschen konnten.

Inzwischen war es Abend, wir hatten einen Stellplatz für das Schnauferle in einer Seitenstraße gefunden und konnten nun endlich ein wenig entspannen. Johannes legte sich ans Flussufer des Dniestr, wo bei über 30 Grad die Hölle los war, ich steunte ein wenig durch die Innenstadt und ließ Lenin und transnistrischen Nationalkult auf mich wirken.

Ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus, kann mich einfach nur umschauen und alles anstarren. Die transnistrische Flagge auf dem Parlamentsgebäude, das Partyschiff auf dem Dniestr, das mit lauter russischer Musik auf und ab fährt, die Väter, die ihre Kinder in ferngesteuerte Buggys setzen und damit durch den Park kutschieren, die Verkäuferinnen, die einen anschnauzen, wenn sie merken, dass man kein russisch spricht. Alles ist eigenartig, ziemlich befremdlich und deshalb richtig interessant.

Gleich wird es dunkel, wir werden uns wohl einen ruhigen Abend machen und bald ins Schnauferle verkriechen.

Chisinau, die unentdeckte Hauptstadt



 

Chisinau ist cool, chaotisch, tussig, prollig, schön, hässlich, irgendwie alles zusammen und deshalb total interessant. Als wir gestern das Schnauferle in die moldawische Hauptstadt steuerten, bekamen wir auf jeden Fall etwas zu sehen, was wir so nicht erwartet hatten.

Aber der Reihe nach. Als wir gestern Morgen vom See aufbrachen, machten wir uns zunächst auf den Weg zum Höhlenkloster Orheil Vechi, das aus dem 12. Jahrhundert stammt und etwa eine Autostunde nördlich von Chisinau liegt. Es war eine ziemliche Herausforderung, den Weg dorthin zu finden, denn die laut Reiseführer „größte Sehenswürdigkeit Moldawiens“ war nirgends ausgeschildert. Passanten, die wir nach dem Weg fragten, zuckten nur mit den Schultern, bis uns zwei nette Typen anboten, ihrem Auto zu folgen und uns dorthin zu führen.

Das Kloster liegt in einem Tal, dessen Wände aus schroffem Kalkstein bestehen, landschaftlich auf jeden Fall malerisch gelegen. Allerdings waren unsere Erwartungen an die „größte Sehenswürdigkeit“ wohl etwas zu hoch gesteckt, denn wir fanden dort nur eine winzige Höhle, in der ein Altar und etwas Kirchenkrams standen. Wir konnten nicht glauben, dass das schon alles gewesen sein sollte und suchten den Hügel nach dem echten Höhlenkloster ab. Aber da gab es nichts weiter, nur diese eine, winzige Höhle. Der Ort war auf jeden Fall einen Besuch wert, aber ich hatte irgendetwas vom Kaliber von Petra in Jordanien erwartet und war deshalb doch etwas enttäuscht.

Gegen Abend erreichten wir Chisinau und fanden uns plötzlich in chaotischem Verkehrstreiben wieder. Die Hauptstadt hat 800.000 Einwohner und wirkt wie eine quirlige Mischung aus Überbleibseln der alten Sowjetunion und neuer, westlicher Konsumgesellschaft. Man sieht eine stolze Mittelschicht, neureiche Prolls, sympathische Studenten, klunkerbehangene Tussen, irgendwie alles auf einmal. Und trotzdem liegt über allem ein entspannter, an Lateinamerika erinnernder Sommer-Vibe, man kann es gar nicht so richtig beschreiben, es fühlt sich einfach gut an hier zu sein und das alles auf sich wirken zu lassen.

Wir nahmen uns ein Zimmer im „Hotel Turist“, das schon zu Sowjetzeiten hier gestanden haben muss. Auf jeden Fall wurde seitdem weder die die Einrichtung, noch der Service in irgendeiner Form verändert, so ist es ungewollt eine Art Erlebnishotel mit Zeitreisefunktion.

Moldawien ist für mich in Europa so etwas wie Paraguay in Südamerika: Kaum ein Tourist fährt dorthin, viele haben noch nie davon gehört und es gibt eigentlich auch nichts wirklich weltbewegendes zu sehen. Als ich 2008 in Asuncion, der Hauptstadt von Paraguay ankam, war ich auch sehr positiv überrascht und habe mich gleich ein bisschen in die Stadt verliebt.

Gestern Abend ließen wir es uns mal richtig gut gehen, aßen gebackenen Hasen in einem schicken Restaurant und stolperten dann durch ein paar Clubs. Hier wir auf jeden Fall deftig gefeiert, auch wenn man sich an den Style erst ein wenig gewöhnen muss. Wie in der Ukraine hört man hier wohl am liebsten straffe EDM Beats und macht dazu ein wenig auf dicke Hose. Der Frauen-Style ist recht tussig angehaucht, aber wenn man sich ein wenig auf das Ganze einlässt, kann man dabei ganz gut Spaß haben.

Auf jeden Fall sind die Chisinauer erfreut bis erstaunt, wenn sie hören, dass wir Traveller aus Deutschland sind. Es passiert wohl nicht so oft, dass jemand dieses Land besucht und wir sind hier eine ziemliche Besonderheit. Auch das kenne ich so ähnlich von Paraguay.

Tschüss Ukraine, hallo Moldawien!



 

Wir haben die letzte Nacht am ukrainischen Feldweg ohne ungebetene Besucher hinter uns gebracht. Heute Morgen wurden wir von Lastwagengeräuschen geweckt, denn an unserem Stellplatz führte offenbar eine Transportstrecke für eine nahegelegene Zementfabrik vorbei. Als wir im offenen Schnauferle frühstückten, wurden wir von den Fahrern mit großen Augen angestarrt, wir starrten mit großen Augen zurück. Dabei war nicht so richtig klar, ob sie uns oder wir sie suspekt finden sollten.

Wir fuhren los Richtung moldawische Grenze. Zwischenzeitlich waren wir uns sicher, dass es dort keinen Grenzübergang gab, denn je näher wir Moldawien kamen, desto weniger Autos waren auf der Straße. Offenbar wollte niemand dorthin, denn am Ende waren wir fast allein auf weiter Flur. Schließlich erreichten wir die Grenze, es gab natürlich doch einen Übergang und nach dem üblichen Papierkrams und den uns inzwischen auch bekannten belustigten Kommentaren der Grenzbeamten über unser Gefährt hatten wir die Ukraine verlassen und Moldawien betreten.

Die Ukraine war auf jeden Fall ein Erlebnis, das ich nicht missen möchte. Bemerkenswert ist, dass wir während unseres Aufenthaltes dort keinen einzigen Touristen getroffen haben, das ist mir bis jetzt nur in Venezuela passiert, als ich mit Johannes 2012 von Caracas Richtung Kolumbien reiste.

In Moldawien kamen wir ganz gut vorwärts, weil die Straßenverhältnisse hier wesentlich besser als in der Ukraine sind. Nach einer guten Stunde erreichten wir Balti, die zweitgrößte Stadt des Landes. Für einen Augenblick überkam mich ein ziemlicher Kulturschock, denn wir fuhren durch Meere von Plattenbauten, die aussahen, als würden sie beim nächsten Windhauch zusammenbrechen. Wir legten einen Zwischenstopp im Zentrum ein, wo dann wiederum eine recht entspannte Normalität zu spüren war. Moldawien sieht wohl recht wenige Touristen und diese Stadt ganz sicher so gut wie nie einen. Der zentrale Platz von Balti wirkte ein wenig wie aus der Zeit gefallen, von einem Regierungsgebäude blickten Marx, Engels und Lenin auf uns herab und um das Denkmal eines sowjetischen Kampfpanzers herum stutzten Gärtnerinnen die Hecke.

Nach einem leckeren Essen fuhren wir weiter Richtung Hauptstadt Chisinau, aber auf halber Strecke bekamen wir von einem Tankwart den Tipp, in einer Hütte an einem nahe gelegenen See zu übernachten. Das taten wir dann auch und nun haben wir einen Schlafplatz in einer Holzhütte mit Bad und Bett für 350 Lei (18 Euro) bekommen. Nochmal schön chillen hier, bevor es morgen weiter geht ins quirlige Chisinau.