Chernivtsi ist eine schöne Stadt, es gibt viele hübsch anzusehende und bunt angemalte Häuser. Das Prunkstück der Stadt ist das Ende des 19. Jahrhunderts errichtete Universitätsgebäude, das aus rotgelben Klinkersteinen besteht und dessen Dächer mit bunten Mosaikmustern verziert sind.
Abends tranken wir ein paar Bierchen im Pub 34, einer hier recht angesagten Kellerbar. Dort wurde Karaoke gesungen und nach ein paar Gläsern Gerstensaft trauten Johannes und ich uns eine Billie-Jean Performance zu. Hat Spaß gemacht, aber so richtig groß raus kamen wir damit nicht. Auf jeden Fall blieb der tosende Applaus, mit dem ich eigentlich gerechnet hatte, leider aus.
Wir lernten einen Trupp ukrainische Jungs kennen, die ein wenig Englisch konnten und setzten uns zu ihnen. Einer von ihnen war recht kräftig gebaut und angeblich irgendein Kampfsport Champion. Er machte sich einen Spaß daraus, Johannes Mütze immer mal wieder zu klauen und selbst aufzusetzen.
Als wir irgendwann gehen wollten, war er auf einmal der Meinung, die Mütze nicht mehr her geben zu müssen. Johannes erklärte, dass es ein Andenken an seine Neuseelandreise sei und holte sich die Mütze zurück. Der Typ schien es aber echt ernst zu meinen, stellte sich Johannes in den Weg und fragte, ob er sich mit ihm schlagen wolle. War alles noch so halb spaßig, aber man wusste nicht so recht, was als nächstes kommen würde. Auf jeden Fall war Johannes seine Mütze schon wieder los und der Typ setzte sich damit zurück an den Tisch.
Wir beschlossen, nicht kampflos aufzugeben. Johannes schlich sich von hinten heran, zog ihm die Mütze vom Kopf, dann rannten wir auf die Straße. Wir sahen, dass ein paar Jungs hinter uns her kamen, aber wir hatten einen ganz guten Vorsprung. Wir bogen unauffällig in einen Hinterhof ab, versteckten uns dort ein paar Minuten, dann war die Luft rein und wir trauten uns wieder raus.
Inzwischen waren wir ganz gut in Partystimmung und beschlossen, uns den einzigen am Dienstag geöffneten Club „Egoist“ mal näher anzuschauen. War ein ziemlich schicker Laden, in den man uns zunächst nicht reinlassen wollte. Ob es an unserer Bierseligkeit oder an Johannes Wanderschuhen lag, war nicht so richtig klar, aber nach ein wenig Überredungskunst waren wir schließlich drin.
Wir lernten wieder ein paar Ukrainer kennen, aber irgendwie müssen wir bisschen ins Saufen gekommen sein, denn bald war nicht mehr wirklich viel mit uns anzufangen. Karaoke gab es auch wieder, wir versuchten es nochmal mit Billie-Jean, aber ich musste Johannes das Mikro zwischendurch wegnehmen, weil seine Interpretation nicht mehr allzu viel mit dem eigentlichen Song zu tun hatte. Gegen 4 Uhr traten wir schließlich im strömenden Regen den Rückzug zum Schnauferle an.
Heute ging nicht viel bei uns, gegen Nachmittag schafften wir es erst, uns in die Senkrechte zu begeben. Wir suchten uns ein Schwimmbad, um mit ein paar Schwimmzügen und einer Dusche wieder auf den Damm zu kommen. Hat auch geklappt, aber lustig war, dass man eine Badekappe zum Schwimmen tragen musste, sowas hatte ich seit DDR-Zeiten nicht mehr gesehen.
Kurz vor Einbruch der Dunkelheit setzten wir das Schnauferle wieder in Bewegung, denn wir wollten uns ein ruhigeres Plätzchen zum Schlafen suchen. Nachdem wir Chernivtsi verlassen hatten, fuhren wir ein Stück auf der Autobahn. Innerhalb weniger Minuten sahen wir drei Dinge, die man auf einer Autobahn nie erwarten würde: Einen Fußgängerüberweg, eine Pferdekutsche und einen Traktor, dessen linkes Vorderrad so eierte, als ob es gleich abfallen würde. Als wir schließlich haarscharf an einem grubentiefen Schlagloch vorbei schrammten, beschlossen wir, erst bei Tageslicht weiter zu fahren.
Nun stehen wir mit dem Schnauferle an einem verlassenen Feldweg hinter einem Bahnübergang und kein Mensch ist weit und breit zu sehen. Ein wenig mulmig ist mir hier schon, aber ich hoffe einfach mal, dass das gute, alte Schnauferle nicht wie ein überfallwürdiges Fahrzeug aussieht.