Im 4700-Meter-Base-Camp war es gestern tagsüber ja noch recht angenehm, direkt nach Sonnenuntergang fiel die Temperatur aber wie im Sturzflug. Weil mein Schlafsack mir schon etwas seltsam vorkam, bin ich mit langer Unterhose, Jeans und Thermohose reingekrochen. Bis 1 Uhr nachts war das auch ok, dann schlug die Kälte aber richtig zu, -10 Grad suchten sich ihren Weg in meinen Schlafsack und durch meine drei Hosenschichten. Ich rollte mich wie ein Embryo zusammen, um so viel Wärme wie möglich bei mir zu behalten, aber viel nützte das nicht.
Schlafen konnte man das nicht mehr nennen, ich schlummerte ab und zu mal ein, wurde aber immer wieder von der Kälte geweckt. Dreimal hab ich geträumt, dass die Sonne aufgeht und mich wärmt, aber jedes Mal, wenn ich freudig die Augen öffnete, war es immer noch dunkel und bitterkalt. Stunden später war es aber endlich so weit: Um 7 Uhr weckte uns unser Führer und die ersten Sonnenstrahlen machten das Leben wieder erträglich.
Nach ’nem Frühstück machten wir uns auf den Weg ins High-Camp. Das liegt auf 5130 Metern Höhe und ist unser letzter Stopp vor dem Gipfel. Wir mussten unsere komplette Ausrüstung dort hochschleppen, ca. 15 kg Gepäck, in dieser Höhe wiegt aber alles nochmal doppelt so schwer. Bis zur Hälfte des Weges gab es noch einen Pfad, danach ging’s nur noch über Geröll und Steine steil nach oben. Zwischendurch mussten wir sogar einen kleinen Felsen hochklettern, was mit dem Gepäck nicht so ganz ohne war.
Nach drei Stunden kamen wir am High-Camp an, keuchten und schnauften und der Schweiß rann uns aus allen Poren. Und es soll nochmal fast 1000 Meter höher gehn? Für mich ist das fast unvorstellbar. Aber ich lass es einfach mal auf mich zukommen, ohne groß darüber nachzudenken.
Das High-Camp ist eine kleine Hütte, unten gibt’s ’nen Essensraum, auf dem Dachboden liegen jede Menge Matratzen, auf denen wir die Nacht verbringen werden. Wir haben hier 8 Leute von anderen Gruppen getroffen, die auch nach oben wollen. Alle sind schon richtig aufgeregt und rätseln, ob und wie sie den Gipfel erreichen werden.
Paul hat leider mal wieder mit seinem Magen zu kämpfen. Peru und Bolivien scheinen ihm nicht besonders zu bekommen, fast jede Woche hat er hier ’ne kleine Lebensmittelvergiftung. Er kann heute nichts essen, ohne dass sich ihm der Magen umdreht, nicht gerade die besten Vorraussetzungen, um ’nen 6000er zu besteigen.
Heute Nachmittag heizte die Sonne den Dachboden vom High-Camp recht gut auf, so dass wir ein molliges Nachmittagsschläfchen halten konnten. Danach gab’s Abendessen, schon um 17 Uhr, denn der Aufstieg zum Gipfel beginnt um 1 Uhr nachts, um Mitternacht wird’s Frühstück geben. Deswegen verkrieche ich mich gleich in mein Bett und bete, dass der Dachboden bisschen von der Nachmittagswärme behält.