Jericho – die älteste Stadt der Welt



 

Als wir heute Morgen aufwachten, lagen plötzlich auf allen Sofas unseres Guesthouses neue, schlafende Menschen. Anscheinend hatten sich einige zu Weihnachten auf den Weg nach Bethlehem gemacht, ohne eine Unterkunft zu reservieren, klopften vor Kälte bibbernd an die Tür unseres Guesthouses und wurden auf die Sofas verteilt. Wenn es auch kein Stall war, ist es trotzdem irgendwie eine lustige Geschichte zu Weihnachten.

Unsere Gastgeber Jamal und sein Bruder Jawad servierten uns allen ein leckeres Falafel-Frühstück. Wir saßen mit den anderen ganz nett zusammen und quatschten so über dies und das. Ich finde es eigentlich immer ganz interessant, im Hostel mit anderen Travellern zusammenzukommen, bin dann aber nicht so gerne den ganzen Tag mit ihnen unterwegs, wenn ich fremde Orte kennen lerne. Denn dann geht ein ganzes Stück Aufmerksamkeit dafür drauf, sich auf die andere Person zu konzentrieren und man kann den Charakter des Ortes nicht mehr so richtig in sich aufsaugen, finde ich.

Stephanie und ich machten uns nach dem Frühstück zu zweit per Minibus auf den Weg nach Jericho, der ältesten Stadt der Welt, wie man so meint. Vor 10.000 Jahren begannen die Menschen dort erstmals Ackerbau und Viehzucht zu betreiben, anstatt nur zu jagen. Bei Ausgrabungen fand man 23 übereinander liegende Schichten an Siedlungen, die an dieser Stelle irgendwann mal errichtet wurden.

Als wir ankamen, ging es uns wie an allen palästinensischen Orten, die wir bisher besucht hatten. Von allen Seiten rief man uns ein freundliches „Welcome“ zu, teils mit Verkaufsabsichten, teils einfach so. Ich hatte auf jeden Fall den Eindruck, dass man sich wirklich freute, dass wir Palästina besuchten. Außerdem war Jericho angenehm warm, denn die Stadt liegt 250 Meter unter dem Meeresspiegel.

Wir besichtigten die Ausgrabungsstelle, wo man unter anderem die 10.000 Jahre alte Stadtmauer sehen können sollte. Ich suchte und suchte, aber konnte sie einfach nicht finden. Genau genommen gab es dort nicht wirklich viel zu sehen, wenn man kein Archäologe war. In tiefen Gräben sah man Reste von alten Gemäuern, aber man brauchte schon viel Phantasie, um sich daraus eine Stadt vorzustellen. Es gibt für die Ausgrabe-Truppe auf jeden Fall noch einiges zu tun, aber es war nett, zu wissen, dass der Krams tausende Jahre alt ist.

In der Nähe der Ausgrabungsstätte gibt es eine Seilbahn, die zu einem Kloster fährt, dass in den Berg eingebaut wurde, die Fahrt sollte stolze 55 Schekel (11 Euro) pro Person kosten. Ich bin ja sowieso nicht der größte Seilbahn-Fan, also war ich nicht böse, als uns ein Obstverkäufer am Straßenrand anbot ein Taxi für uns beide für 25 Schekel (5 Euro) zu besorgen.

Er rief jemanden an, der vorbei kommen sollte. Während des Telefonats verdoppelte sich der Preis plötzlich auf 50 Schekel (10 Euro). Stephanie handelte ihn noch auf 40 Schekel (8 Euro) runter, dann kam ein Typ mit seinem Auto vorgefahren, in dem außer im noch seine drei kleinen Söhne saßen.

Wir wurden ein Stück unterhalb des Klosters rausgelassen und kletterten das restliche Stück hinauf. Stephanie bekam schlechte Laune, weil sie sich vom Taxivermittler ausgenommen fühlte und nun auch noch ein Stück laufen musste. Ich fand das eigentlich nicht weiter schlimm, weil ich sowieso liebend gern auf die wacklige Seilbahn verzichtete und wir außerdem nicht mal die Hälfte davon zahlten.

Die Stimmung besserte sich schlagartig beim Betreten des Klosters. Es war wirklich so richtig in den Felsen geschlagen und es war ein interessanter Kontrast, wie die „zivilisierten“ Elemente wie Fenster und Türen mit den Felssteinen kombiniert wurden. Zum Beispiel waren in der Toilette die Wände gefliest, aber dazwischen schob sich ein riesiges Felsstück hervor und ragte mitten in den Raum hinein. Eine Kapelle endete an einem Höhleneingang, den man aber leider nicht betreten konnte. Ich fragte mich, wie weit dieser wohl in den Felsen führen würde, ob es vielleicht der Eingang zu einem riesigen Höhlensystem war.

Von einem Gang aus konnte man einen „Balkon“ betreten, der 100 Meter über dem Abgrund hing. Mir wurde ziemlich mulmig und ich war noch glücklicher, nicht mit der Seilbahn gefahren zu sein. Schließlich stiegen wir wieder vom Felsen hinab und ließen uns von unserem Chauffeur zurück ins Tal bringen, wo uns der taxivermittelnde Obstverkäufer direkt wieder abfing. Seine Angebote zu weiteren Aktivitäten und Fahrdiensten lehnten wir aber dankend ab.

Wir schlugen uns noch den Magen mit einem leckeren Grillteller voll, dann machten wir uns auf den Rückweg nach Bethlehem. Morgen ziehen wir weiter nach Ramallah, der Hauptstadt des palästinensischen Westjordanlandes. Ein israelischer Freund von Stephanie legt dort in einem Club auf, dort wollen wir vorbei schauen. Klingt auf jeden Fall ziemlich abgefahren, ein israelischer DJ in einem palästinensischen Club, hätte nicht gedacht, dass sowas funktionieren kann.

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