Geteiltes Land



 

Gestern Abend saßen Stephanie und ich noch mit unseren Gastgebern Jawad und seiner Frau im Wohnzimmer zusammen. Ich wollte ein wenig mehr über das Leben der Palästinenser erfahren und fragte Jawad danach. Die Situation für seine Familie ist ziemlich speziell, da sie zwar Palästinenser sind, aber der christlichen Minderheit angehören.

Ich wusste, dass Bethlehem während der letzten Intifada 2002 stark unter israelischen Beschuss geraten war und fragte Jawad, was er damals davon mitbekommen hatte. Er erzählte, dass das Haus seiner Familie direkt zwischen den Fronten lag und die Kugeln direkt durch’s Wohnzimmer geflogen seien. Tagelang bewegte sich die Familie nur auf den Boden kriechend durch die Wohnung, um Wasser oder Nahrungsmittel zu erreichen.

Er erzählte weiter, dass man als Palästinenser Jerusalem nur mit einer speziellen Genehmigung betreten dürfe, die Männer unter 27 und Frauen unter 24 Jahren in der Regel nicht erhalten würden. Seine Lage ist ganz schön kompliziert, er fühlt sich auf jeden Fall von Israel kontrolliert und seiner Freiheit beraubt. Gleichzeitig glaubt er, dass er als Christ von der muslimischen Mehrheit in Palästina nicht mehr geduldet würde, wenn es einen eigenen palästinensischen Staat ohne israelische Kontrolle geben würde. Er befürchtet, die Lage könnte sich ähnlich wie in Ägypten entwickeln, wo nach der Revolution Christen von radikalen Moslems umgebracht wurden.

Es ist eine vertrackte Lage mit Problemen auf vielen Ebenen. Seit ich denken kann, höre ich Nachrichten von Krieg und Terror aus diesem kleinen Land. Ich bin mir nicht sicher, ob ich es noch erleben werde, dass hier irgendwann mal echter Frieden einkehrt.

Heute Morgen verabschiedeten wir uns, Jawad meinte, wann immer wir irgendetwas brauchen würden, sollten wir ihn anrufen. Auch wenn es einer der kältesten Guesthouse-Aufenthalte meines Lebens war, war es durch diese supernette Familie trotzdem einer der schönsten.

Auf dem Weg nach Ramallah, unserer letzten Station, legten wir noch einen Stopp an der Mauer an der Grenze nach Jerusalem ein. Wir hatten sie zwar schon ein paarmal passiert, wollten sie aber nochmal aus nächster Nähe sehen. Auf palästinensischer Seite ist sie mit Graffitis und Postern gefüllt, die die Hoffnungen und die Verzweiflung der Menschen in Bilder und Worte fassen. Inzwischen ist sie auch eine ziemliche Touristenattraktion geworden, man sieht Reisende davor für ein Foto posieren und kann im „Wall Steak House“ essen gehen.

Wir überquerten die Grenze zu Fuß, mussten durch Gittergänge laufen, unsere Taschen in Wellblechhäusern scannen lassen und unsere Pässe vorzeigen, dann waren wir auf der anderen Seite. Im Moment scheint hier alles ruhig zu sein, denn das Ganze ging recht unaufgeregt vonstatten. Trotzdem war die Atmosphäre ganz schön bedrückend, ich möchte nicht in die Zellen gebeten werden, die mit „Further Inspection Room“ beschriftet waren.

Von Jerusalem aus setzten wir uns in einem Bus nach Ramallah, der Hauptstadt des palästinensischen Westjordanlandes. Wir stiegen in einem billigen Hotel in der Nähe des Busbahnhofs ab und meine Augen begannen zu leuchten, als ich die dicken Heizkörper im Zimmer sah. Die Ernüchterung kam schnell, als ich fragte, ob sie funktionieren würden. Das taten sie nicht, stattdessen gab man uns einen winzigen Elektroheizkörper, bei dem nur eine von zwei Heizspulen heizt.

Ramallah ist nicht der interessanteste Ort, den ich bisher gesehen habe. Im Zentrum gibt es einige recht schicke Geschäfte, in denen die reiche Oberschicht westlichen Konsumfreuden frönt. Ein paar Straßen weiter spielt sich das typisch palästinensische Markttreiben ab, Obst- und Gemüseverkäufer flankieren die Straßen und bieten lautstark ihre Ware an.

Es ist gut, die Stadt mal gesehen zu haben, aber wir werden wohl nicht länger als bis morgen hier bleiben. Ich hoffe, dass der winterliche Teil der Reise dann endet und wir es schaffen, endlich in wärmere Gefilde vorzudringen.

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