Ein Tag im Dschungel



 

Gestern Morgen um 8 Uhr starteten wir zu unserem Dschungeltrip. Außer unserem Führer Kai war noch ein deutsches Pärchen dabei, Doro und Andi. Nach ein paar Kilometern auf der Ladefläche eines Pick-Ups ging es zu Fuß in den Wald auf einem Trampelpfad steil bergauf. Unser erstes Ziel war eine Lotusblume. Es gibt nur wenige davon und sie blüht nur eine Woche im Jahr. Es soll Leute geben, die extra hierher fliegen, um eine zu Gesicht zu bekommen. Wir hatten Glück, denn vor zwei Tagen hatte sich eine Blüte geöffnet. Sie hat einen Durchmesser von ca. einem halben Meter und verströmt einen fauligen Geruch, mit dem Insekten angelockt werden sollen.

Doro und Andi waren echt nett, wir haben bisschen mit ihnen geschnackt, aber irgendwann konnte keiner von uns mehr reden, denn der Hang wurde immer steiler und an uns lief der Schweiß in Strömen herab. Nach 1 ½ Stunden waren wir endlich auf der Bergspitze angelangt, nun ging es bergab. Das hatte aber auch so seine Tücken, denn glitschige Steine machten den Weg zu einem rutschigen Unterfangen und jeder von uns landete mindestens einmal auf dem Hintern.

Unser Führer Kai deutete plötzlich auf einen Blutfleck auf Stephanies Hose und erklärte uns, dass der von einem Blutegel käme. Unter der Hose war nur noch die Wunde sehen. Die Blutegel liegen auf dem Boden und kriechen am Bein hoch, sobald jemand vorbei läuft. Dann saugen sie sich fest, trinken eine Ladung Blut und fallen wieder ab. Dabei geben sie einen gerinnungshemmenden Stoff ab, so dass die Wunde stundenlang blutet. Das tut zwar alles nicht weh, ist aber schon ziemlich nervig. Die Dinger sind ganz klein, nur 3-4 cm lang. Kai meinte, dass sie nach einer „Mahlzeit“ zwei Jahre ohne frisches Blut auskommen können.

Kai war echt ein super Führer. Er macht den Job seit 18 Jahren und war auch oft wochenlang allein im Wald unterwegs, um Tiere zu sehen. Er erzählte, dass es sehr selten vorkommt, einen Tiger zu Gesicht zu bekommen. Vor 15 Monaten sah er schließlich einen, danach fiel er in ein tiefes Loch, weil er alle Tiere gesehen hatte, die er je sehen wollte und es keine Steigerung mehr gab. Da ging er ins Kloster und fragte die Mönche, was er tun könne. Sie rieten ihm, sich den Kopf zu rasieren, um seinen Geist zu reinigen. Danach ging es ihm wieder besser. Ich fand die Geschichte echt schön.

Nach drei oder vier Stunden Fußmarsch kamen wir schließlich an einem Wasserfall an. Ab diesem Punkt wurde es wirklich abenteuerlich. Wir mussten über hundert Meter an steilen Felsen abwärts klettern. Hin und wieder gab es ein Seil zum Festhalten, dann wieder eine Liane, das alles auf glitschigen Steinen und ab und zu im Wasser. Ein falscher Handgriff hätte uns abstürzen lassen, aber wir kamen alle ganz gut zurecht. Am Fuß des Wasserfalls machten wir Pause und konnten rumplanschen.

Danach ging es stundenlang weiter abwärts, insgesamt kletterten wir an vier Wasserfällen hinab. Es ist kaum zu beschreiben, wie anstrengend das war. Jede Sekunde musste man voll konzentriert sein und es war extrem anstrengend. Am Ende mussten wir den Fluss auf Felsen überqueren, dann kamen wir wieder auf einen Trampelpfad. Wir waren jetzt wirklich am Ende, hatten aber noch drei Stunden Fußmarsch durch den Wald vor uns. Andi war der Blutegel-Champion, er hatte insgesamt sieben von den Viechern abbekommen, seine Füße sahen aus wie ein Schlachtfeld. Ich bin zum Glück verschont geblieben. Um 17 Uhr kamen wir schließlich in unserem Örtchen an, pünktlich, bevor ein Wolkenbruch einsetzte. Wir hatten über 20 Kilometer Fußmarsch hinter uns und waren halb tot, aber glücklich, es geschafft zu haben.

Abends zischten wir uns mit Doro und Andi noch ein paar Bierchen rein und feierten so unseren erfolgreichen Dschungelmarsch. Kurz vorm Schlafengehen stach mich dummerweise ein großes Insekt in die linke Schulter. Ich konnte nur noch den langen Stachel herausziehen, der Einstich tat sauweh. Im Laufe der Nacht schwoll mein linker Arm komplett an, mein Gesicht wurde gelblich und ein wenig aufgedunsen. Ich hatte heute Morgen echt Schiss, dass das irgendwas gefährliches war und fragte die Besitzerin unserer Hütte, was man da tun könne. Sie meinte, es wäre keine Biene gewesen aber kannte den Namen des Insekts nicht auf Englisch. Es soll wohl nicht gefährlich sein, nur schmerzhaft. Sie war total süß und fragte, warum ich sie nicht schon nachts deswegen geweckt hätte. Dann rieb sie meinen Arm mit Tigerbalsam ein und meinte, ich solle später nochmal kommen für eine zweite Ladung. Bisschen Sorgen macht mir nur, dass die Schwellung im Moment noch leicht zunimmt. Ein zugeschwollener Hals mit Atemnot wäre gerade nicht so schick.

In zwei Stunden fahren wir mit dem Bus weiter nach Surat Thani, von dort fliegen wir heute Abend nach Bangkok. Spätestens am Flughafen wird es sicher einen Arzt geben, der mir was geben könnte, falls die Schwellung noch schlimmer wird.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert