Zu allem Überfluss kam zwischendurch noch ein bettelndes Kind vorbei, dem man wohl eingetrichtert hatte, einem so lange am Rockzipfel hängen zu bleiben, bis man ihm schließlich Geld gab. Die Kleine war ungefähr 10 und konnte einem echt Leid tun. Aber geben wollte ich ihr einfach nichts, sie hätte es garantiert an irgendeinen Aufseher abgeben müssen. Zuerst schlug sie einen mitleidserregenden Ton an. Ein „nein“ führte aber nur dazu, dass sie zunehmend dreister wurde, was darin gipfelte, dass sie uns „Money, Money, Money!“ ins Gesicht brüllte. Stephanie brüllte zurück, so laut sie konnte. Das Erschreckende war, dass das Mädchen daraufhin noch nicht einmal mit der Wimper zuckte. Wir ignorierten sie nun, sie schrie uns aber immer noch eine Ewigkeit nach Geld an, bis sie weiter zog.
Stephanie und steuerten später eine Shisha-Bar an. Einige Biere und Backgammon-Runden später beschlossen wir, uns einen Club zum Feiern zu suchen. Aber an ’nem Dienstagabend war das völlig unmöglich. In Izmir führt eine Uferpromenade namens Konak direkt am Wasser entlang. Dort gibt’s zwar einige Clubs, doch der einzige, der offen hatte, war gähnend leer und noch dazu viel zu Schickie-Mickie. Wir holten uns noch mehr Efes Dosen, liefen den Konak auf und ab, gaben uns dabei so richtig die Kante und fielen irgendwann ordentlich Hacke ins Bett.
Dementsprechend verkatert wachten wir heute Mittag auf. Wir waren nicht zu allzu viel Aktivität in der Lage, also setzten wir uns am Konak in eine Shisha-Bar, spielten Backgammon und rauchten Wasserpfeifen. Izmir hat’s mir nicht wirklich angetan, es ist laut, besteht zu 90% aus Beton und hat nicht mal einen Stand, obwohl es direkt am Meer liegt. Wir sollten zusehen, dass wir morgen hier weg kommen.
Aber heute gab’s natürlich auch wieder die „Unglaublich-freundlicher-Türke-des-Tages-Geschichte“: Mitten in Izmir steht eine winzige Moschee, die sicher nicht mehr als 10 Meter Durchmesser hat. Ständig kommen und gehen Gläubige, die scheinbar einfach mal kurz zwischendurch ’ne Runde beten wollen. Mich hat interessiert, wie es darin aussieht. Doch ich merkte, dass man direkt im Gebetsraum stehen würde, sobald man die Moschee betritt. Um die Gläubigen nicht zu stören, wollte ich nicht reingehen. Vergeblich versuchte ich meinen Kopf so weit durch die Tür zu recken, dass ich die Kuppel von innen sehen konnte. Plötzlich tippte jemand von hinten auf meine Schulter. Es war ein älterer Mann und ich dachte, jetzt kommt der Anschiss für’s Rumstressen. Aber gab mir zu verstehen, dass ich mit um die Ecke komme sollte und deutete auf ein Fenster. Da verstand ich plötzlich: Er hatte mich beobachtet, mein Problem erkannt und zeigte mir die Stelle, wo man durch’s Fenster einen perfekten Blick auf den Kuppel hatte. :)
Abends zogen wir noch eine Weile über den Basar von Izmir. Er ist zwar etwas kleiner, als der in Istanbul, aber immer noch riesig. Stephanie kaufte ein paar Stoffe, dabei hat sie sich wohl so richtig über den Tisch ziehen lassen. Das gehört aber auch irgendwie zum Touri-sein dazu. :)
Jetzt sitzen wir im Internetcafe und versuchen unsere weitere Reise zu planen. Wir haben mit dem Gedanken gespielt, mal einer griechischen Insel ’nen kleinen Besuch abzustatten. Aber so richtig lohnen würde sich das nicht mehr, die Fähren sind nicht ganz billig und wir hätten höchstens auf der Insel höchstens einen Tag Zeit.
Daca, das „Paradies“, das der Türke in Istanbul in wärmsten Worten angepriesen hatte, ist leider auch viel zu weit weg, um das noch zu schaffen. So langsam wird uns bewusst, dass unsere Reise bald zu Ende geht, in drei Tagen fliegen wir schon zurück. Irgendwie ein komisches Gefühl, denn während der letzten Woche hatte ich mein Zeitgefühl komplett abgeschaltet und nicht einen Gedanken daran verschwendet, wieder zurück zu müssen. Es ist wie ein Schalter, der auf Travalling-Modus gestellt wurde, alles vergessen und einfach los. Alles schien plötzlich wieder so einfach zu sein, keine Verpflichtungen, kein Gedanke an gestern oder morgen, einfach so in den Tag hineinleben. Ich könnte jetzt einfach weiter ziehen, quer durch die Türkei, weiter in den Iran, vielleicht mal kurz ’nen Einreisestempel für den Irak holen, nur so für den Nervenkitzel. :) Im Moment ist leider nicht die Zeit dafür, aber es ist ein super Gefühl zu spüren, dass ich den Schalter jederzeit umlegen kann.
Wir haben nun beschlossen, morgen weiter Richtung Süden zu fahren, aber nicht zu weit, denn dann wird’s echt eklig und es reiht sich eine Hotel-Bunker-Stadt an die nächste. Im Lonely Planet haben wir ein kleines Fischerörtchen namens Sigacik gefunden, wo es echt nett sein soll. Nicht zu touristisch, chillige Stimmung und ein Strand in der Nähe. Dorthin werden wir uns morgen versuchen durchzuschlagen.