Einfach mal mit dem Fahrrad raus und schauen, wie weit wir kommen würden. Das führte uns auf dem Fernradweg R1 nach Polen.
Am Freitag starteten wir morgens in Neukölln. Im Treptower Park stießen wir auf den Radweg R1, nur um eine halbe Stunde später festzustellen, dass er uns auf dem Weg aus Berlin hinaus wieder zurück nach Neukölln führte. Schöne Ehrenrunde, hätten wir vorher mal auf die Karte schauen sollen.
Radweg R1 – Highway für Fahrräder
Weiter ging es zum Müggelsee, von dort aus durch den Wald nach Erkner. Auf diesem Stück ist der R1 über weite Strecken hinweg der perfekte Fahrrad-Highway, auf asphaltiertem Untergrund führt er ohne störende Autos als exklusiver Radweg durch Wald und Natur. Trotzdem dauerte es gut eineinhalb Stunden, bis wir Berlin hinter uns gelassen hatten, die Stadt ist einfach riesig.
In Brandenburg führt der R1 oft neben Straßen entlang, die aber so wenig befahren sind, dass man nur selten ein Auto zu Gesicht bekommt. Es war super zu sehen, wie die Stadt langsam verschwand und Platz machte für Dörfer, Gehöfte, Felder und Kirchen. Hin und wieder verkauften Dorfbewohner selbst gepflückte Kirschen am Straßenrand.
Wild campen in Brandenburg
Gegen Abend stießen wir kurz hinter Neuhardenberg auf ein Waldstück, das perfekt zum wild campen geeignet war. Von der Straße aus konnte man es nicht einsehen, also schlugen wir dort kurzerhand unsere Zelte auf. Wir kochten Spaghetti auf dem Gaskocher, ließen uns ein Bierchen schmecken und schauten dem Himmel dabei zu, wie er vom Abendrot langsam in die Nacht überging.
Am nächsten Morgen packten wir unsere Sachen und fuhren weiter Richtung Polen. Auf einem recht skurrilen Dorffest kurz hinter Letschin legten wir einen Essensstopp ein. Das Durchschnittsalter der Besucher lag weit über 60 und wir zogen mindestens so viel Aufmerksamkeit auf uns wie der Mädchenchor auf der Bühne, von denen keine einzige einen Hauch von Gesangstalent hatte.
Bekanntschaft mit der polnischen Polizei
Schließlich erreichten wir die Oder. Nachdem wir eine gefühlte Ewigkeit auf dem Deich entlang gefahren waren, passierten wir in Küstrin die Grenze. Auf der polnischen Seite konnte ich mich dann gleich über neue Bekanntschaften freuen: Nachdem ich am Fluss einen Pinkelbaum gesichtet und benutzt hatte, hielt ein Polizeiauto neben mir. Ob ich wüsste, was ich getan hätte, fragte man mich. Ich wusste nicht recht, ob ich lachen oder mich aufregen sollte, doch plötzlich wedelte man tatsächlich mit einem Wisch vor meiner Nase herum, auf dem wohl stand, dass ich 50 Zloti (12 Euro) bezahlen sollte. Nach einigem hin und her zahlte ich schließlich zähneknirschend. Meine Frage nach einer Quittung wurde schließlich mit einem belustigten: „Kein Problem, hier ist dein Souvenir!“ beantwortet.
Nachdem wir noch ein paar Kilometer geschrubbt hatten, schlugen wir unsere Zelte kurz hinter Czarnów auf. Dieses kleine Dorf hatte irgendwie einen ganz besonderen Charme. Ich kann gar nicht richtig sagen, was es war, aber irgendwie schienen die Uhren dort etwas langsamer zu gehen, ohne dass diese depressive Stimmung in der Luft lag, die man in brandenburgischen Dörfern oft spürt.
Begegnung mit zwei Wildschweinen
Für unser Nachtlager hatten wir uns wieder einen Waldrand ausgesucht, diesmal direkt neben einem großen Getreidefeld. Kurz nach Sonnenuntergang hört ich plötzlich Schritte näher kommen. Ich schaute mich um in der Befürchtung, jemand hätte unsere Zelte entdeckt und würde uns jetzt verscheuchen. Stattdessen streunten jedoch zwei junge Wildschweine durch die Getreidehalme. Sie schienen uns nicht zu bemerken und auch eine eventuell verteidigungswillige Mutter war weit und breit nicht zu sehen.
Nach einem herrlichen Schlaf packten wir am nächsten Morgen wieder zusammen, fuhren los und überquerten bei Frankfurt/Oder die Grenze zurück nach Deutschland. Das Wetter wurde zusehends schlechter, so dass wir beschlossen, den Zug zurück nach Berlin zu nehmen. Kaum waren wir drin, brachen sintflutartige Regenfälle über uns herein, perfektes Timing. Alles in allem war es eine super Tour, auf der wir insgesamt um die 160 Kilometer geschrubbt haben. Der R1 hat definitiv Lust auf mehr gemacht, vielleicht fahren wir nochmal ein anderes Stück, direkt von Polen aus Richtung Russland.