Eine Alpenüberquerung zu Fuß, von Deutschland durch Österreich nach Italien. Johannes und ich sind auf dem Fernwanderweg E5 unterwegs.
Nachtlager neben Jungfrau Maria
In der ersten Nacht fanden wir an einem Berg direkt hinter dem Örtchen Spielmannsau neben einer kleinen Marien-Kapelle ein ebenes Stück Boden, das zum Zelten geeignet war, gerade noch rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit. Der Moment, in dem ich am nächsten Morgen meinen Kopf aus dem Zelt steckte, war absolut überwältigend. Umgeben von Steilhängen in saftigem Grün, von der Morgensonne in goldenes Licht getaucht, diese Szenerie war wirklich einzigartig.
Der nächste Tag führte uns hoch zur 1844 Meter hoch gelegenen Kemptner Hütte, dann wieder runter ins Tal, wo wir Österreichs höchste und längste Hängebrücke überquerten. Nach einem langen Marsch erreichten wir abends die Hütte „Hermine“, wo wir hinter einer Scheune unsere Zelte aufschlugen.
Der nächste Morgen begann mit einem gnadenlosen Aufstieg: Wir mussten uns von 1450 auf 2242 Meter hoch zur Memminger Hütte schrauben. Johannes ließ sich zu dem Satz hinreißen, er fände diese ganze Alpenüberquerung gar nicht anstrengend… eine Feststellung, die er in den folgenden Tagen noch mehrfach revidieren sollte.
Pferde, Steinböcke und Mumeltiere
Schweißgebadet kamen wir schließlich oben an. Das was wir dort vorfanden, verschlug uns aber förmlich die Sprache. Die Memminger Hütte ist absolut dramatisch gelegen, umgeben von Gipfeln, die majestätisch herab blicken und einen in Ehrfurcht erstarren lassen. Ein Bergsee, an dessen Ufer Schnee liegt, lädt zur Abkühlung ein, zur sehr kräftigen Abkühlung allerdings. Man teilt sich diese atemberaubende Kulisse mit Pferden, Steinböcken und Murmeltieren und auf der Hütte vergisst man bei Kaiserschmarrn und Memminger Fassbier schnell die Strapazen des Aufstiegs, die hinter einem liegen.
Kurz nach 17 Uhr stellten sich die anderen Hüttenbesucher so langsam auf einen ruhigen Ausklang des Abends ein, doch Johannes und ich wollten noch weiter ins nächste Tal. Das bedeutete weitere 350 Meter Aufstieg zur 2599 Meter hoch gelegenen Seescharte, bevor es wieder abwärts ging. Wir wurden ungläubig angeschaut, um diese Zeit noch aufbrechen zu wollen und als ich dies mit „alles kein Problem“ kommentierte, wurde ich von einem fernen Donnergrummeln begleitet.
Gewitter zieht auf
Die nächsten anderthalb Stunden gingen wirklich ins Bein. So langsam machte sich auch die Höhe bemerkbar, aber die Ausblicke von dort oben waren so gigantisch, dass sie für alle Strapazen entschädigten. Als wir den höchsten Punkt schließlich überquert hatten, konnten wir unser Ziel ganz unten im Tal sehen: Die Oberlochalm, wo wir zelten wollten.
Auf dem Weg nach unten braute sich schließlich das Gewitter zusammen, das schon eine ganze Weile in der Luft lag. Gerade, als wolkenbruchartiger Regen einsetzte und Blitze in die Bergspitzen einschlugen, die wir gerade noch überquert hatten, erreichten wir die Alm. Dort wurden wir vom Almwirt Wolfgang, seinem Kumpel Helmut und Michel begrüßt. „Haben euch mit dem Fernglas beobachtet da oben. Dreiviertel Stunde hier runter, nicht schlecht für Deutsche, hahahaha!“ Direkt danach hatten wir jeder ein Bier vor der Nase stehen.
Bier und Obsteler beim Tiroler Wirt
Wolfgang und Helmut sind zwei echte Tiroler Originale, haben immer einen Spruch auf den Lippen und ein herzhaftes Lachen, das einfach nur ansteckend ist. Johannes bestellte sich eine Wurst und erklärte Helmut, während er diese aß, die Gründe, warum man Vegetarier werden sollte. Es war ein lustiger Abend, der für mich nach dem dritten Bier mit meinem Schlafsack in dem Großzelt endete, das man uns als Schlafplatz angeboten hatte. Johannes wiederum landete noch mit den 3 Gesellen in Wolfgangs Stube, wo noch ordentlich Obstler serviert wurde.
Am nächsten Morgen kroch er mit leicht verkniffenem Gesicht aus seinem Schlafsack. Wolfgang machte uns ein zünftiges Almfrühstück und fragte Johannes: „Kaffee? Oder nein, du nimmst doch bestimmt gleich ein Bier? Hahahahaha!“ Johannes lehnte dankend ab und fragte, ob der Obstler am Abend zuvor tatsächlich nur 7 Prozent Alkohol hatte, wie er vermutete. „7 Prozent? 40, Priester! 7 Prozent hat ’ne Milch! Hahahahaha!“
Wir verabschiedeten uns und zogen weiter nach Zams. Dies bedeutete 1100 Meter Abstieg, was auf die Dauer auch ganz schön in die Beine geht. Für die folgenden 1500 Höhenmeter auf den Krahberg ist auf der Alpenüberquerung E5 freundlicherweise eine Seilbahn vorgesehen. Zu Fuß mussten wir dann nur noch 300 Meter höher, um über die 2512 Meter hohe Glanderspitze ins dahinter liegende Pilztal zu gelangen.
Unterschlupf im Heuschober
Das Gewitter am Tag zuvor hatte mir einen gehörigen Respekt eingeflößt, so dass ich die Wolkenbewegung am Himmel permanent im Auge behielt. Es war offensichtlich, dass sich da wieder was zusammen braute und ich wollte auf keinen Fall ganz oben auf dem Berg stehen, wenn die Blitze einschlugen. Doch wir schafften es rechtzeitig über den Berg runter ins Tal. Kurz vor dem Örtchen Piller ging das Gewitter los. Wir retteten uns in einen leeren Heuschober, der Schutz vor dem Regen bot. Dort warfen wir unsere Kocher an und ich briet Pilze, die ich im Wald gefunden hatte.
Wir machten im Heuschober unser Nachtlager fertig. Ich schlief wie ein Baby, obwohl wir uns den Schober mit unzähligen Spinnen teilen mussten. Schlafsack bis unter die Nase zu und nicht mehr daran denken, das half ganz gut. Doch Johannes bekam plötzlich ganz andere Probleme. Er hatte sich mit irgendwas den Magen verdorben, der sich nachts wieder des Abendessens entledigte. Von den Pilzen hatte er kaum was gegessen, das konnte es also nicht sein.
Magenprobleme bei der Alpenüberquerung
Am nächsten Morgen packten wir zusammen und liefen weiter nach Piller. Als unterwegs auch das Frühstück sich bei Johannes wieder seinen Weg nach draußen bahnte, beschlossen wir, uns in Piller eine Pension zu suchen und einen Tag Pause einzulegen. Vor uns liegt der Kaunergrat, der anstrengendste und schwierigste Teil der Alpenüberquerung, für den wir hundertprozentig fit sein müssen.
Der Chef der Pension meinte, dass in den letzten Tagen reihenweise E5-Wanderer das gleiche Problem gehabt hätten, allein 40 in seiner Unterkunft. Er vermutete, dass irgendeine Hütte oder Wasserstelle unterwegs kontaminiert wäre. Auf jeden Fall seien die meisten nach einem Tag Ruhe wieder fit, so dass wir ganz guter Dinge sind, morgen auf den Kaunergrat starten zu können.
Es ist auf jeden Fall eine Wohltat, mal wieder in einem weichen Bett mit Decke und Kissen zu liegen, nachdem das Wasser der heißen Dusche über meinen Körper geflossen ist. Nach ein paar Stunden ohne Laufen melden sich nun auch meine Waden recht deutlich und scheinen froh zu sein, sich mal einen Tag lang regenerieren zu können.
„Es ist brutal“, meinte der Chef gerade eben noch. „Im Nachbarort Wenns das gleiche, die Hälfte der E5-Wanderer liegt flach.“ Nur seltsam, dass es mich nicht erwischt hat. Aber scheinbar habe ich einen Magen aus Stahl, den konnte auf meinen bisherigen Reisen selten etwas aus der Bahn werfen.
Einmal quer durch Asien und dein Magen ist für den Rest des Lebens unverwüstlich. :D
krass, in wenns haben wir mit unserer Family min. schon 4x Urlaub gemacht :D… Wie klein die Welt auch ist.
Mann, Mann, Kracksler! Na dann schnell zum Alpendoktor! oder Obstler!-) Gute Besserung und geschmeidige Waderln wünsche ich.
Ach, noch was: Maxi hält sich vom 15.8. an 2 Wochen nördlich von Meran auf und freut sich schon darauf euch ein Dach über dem Kopf anzubieten. Er wollte sich noch melden.
Ochhh neee. Das ist ja blöd gelaufen. Gute Besserung! LG aus Südtirol Dorf Tirol